Fallen bei der Eigenheimfinanzierung

Niedrige Zinsen verleiten manchen Verbraucher zu einer Vollfinanzierung ohne Eigenkapital. Die hat allerdings ihre Tücken.

 Sinkende Immobilienpreise oder Wertverlust können die Besitzer eines Hauses in die Bredouille bringen, wenn sie das Objekt plötzlich verkaufen müssen.

Sinkende Immobilienpreise oder Wertverlust können die Besitzer eines Hauses in die Bredouille bringen, wenn sie das Objekt plötzlich verkaufen müssen.

Foto: dpa

Wegen der niedrigen Hypothekenzinsen trauen sich viele Verbraucher, einen hohen Kredit aufzunehmen, um den Traum von den eigenen vier Wänden zu verwirklichen. Denn die Finanzierung scheint trotz hoher Immobilienpreise erschwinglich, selbst ohne Eigenkapital. Das hat zunächst den Vorteil, dass Bauherr oder Käufer weiter liquide bleiben. Die Vollfinanzierung hat jedoch auch Nachteile. Vier Fallstricke im Überblick:

Brutto- und Nettofinanzierung Von Vollfinanzierung reden Experten, wenn der angehende Immobilienbesitzer einen Kredit über 100 Prozent des Kaufpreises aufnimmt: Kostet das Haus 350 000 Euro, kommt der Betrag komplett vom Geldinstitut. Das ist die Netto-Finanzierung. Darüber hinaus müssen Maklerprovision, Notargebühren, Grundbucheintrag und Grunderwerbsteuer einkalkuliert werden. Diese Kosten machen noch einmal bis zu zwölf Prozent des Kaufpreises aus. Zusätzlich fallen Umzug, Renovierung und Ausgaben für neue Möbel an. Diese Posten entsprechen der Brutto-Finanzierung.

Wer sich das Geld für diese Zusatzausgaben leihen will, benötigt deutlich mehr als eine 100-prozentige Finanzierung. Die meisten Banken lassen sich entweder nicht darauf ein oder verlangen einen Risikoaufschlag in Form höherer Kreditzinsen. Michael Knobloch vom Institut für Finanzdienstleistungen (iff) rät daher, mindestens die Nebenkosten und den Umzug aus Eigenkapital zu bestreiten.

Laufzeit und Tilgung Wer viel Geld aufnimmt, stottert mitunter lange ab. Bei einer 100-Prozent-Finanzierung mit nur einem Prozent Tilgung kann es lange dauern, bis die Hypothek abbezahlt und der Immobilienbesitzer endlich Herr im eigenen Haus ist. Christiane Kienitz, Referentin für Immobilienfinanzierung bei der Verbraucherberatung Hessen, rechnet vor: Ein Darlehen von 150 000 Euro wird über zehn Jahre festgeschrieben. Der effektive Zinssatz beträgt 1,5 Prozent pro Jahr, die Tilgungsrate liegt bei einem Prozent. Nach zehn Jahren beträgt die Restschuld immer noch rund 133 800 Euro.

Wie lange es dauert, bis der Kredit dann voll zurückgezahlt ist, hängt unter anderem von dem dann bei der Anschlussfinanzierung fälligen Zinssatz ab. Müssen für die Restschuld sechs Prozent Zinsen gezahlt werden, ergibt sich laut Kienitz eine Gesamtlaufzeit für das Darlehen von mehr als 34 Jahren. Liegt der Anschlusszinssatz bei 3,5 Prozent, ist das Darlehen nach fast 44 Jahren zurückgezahlt. Solange steht die Bank mit im Grundbuch.

Die Banken hätten aber auf diese Situation reagiert: Mittlerweile sei die Standardtilgung auf zwei Prozent erhöht worden, um extrem lange Laufzeiten zu verhindern. "Wer seine Finanzierung weiter optimieren will, tilgt noch höher oder vereinbart zumindest Sondertilgungen."

Anschlussfinanzierung und Preisschwankungen In Hypothekenverträgen wird üblicherweise eine Zinsbindung von zehn Jahren festgeschrieben. Steigen die Zinsen, wird es bei einer Vollfinanzierung mit Ablauf der Frist eng: Weil vom ursprünglich aufgenommenen Kredit wenig getilgt wurde, steigt aufgrund der geringen Entschuldung die Belastung, statt zu sinken. Unbezahlbare Raten bringen dann viele voll finanzierende Immobilienbesitzer an den Rand des Ruins.

Ein weiteres Risiko sieht Knobloch in Marktpreisschwankungen. Sinkende Immobilienpreise oder Wertverlust könnten Kreditnehmer in die Bredouille bringen, die sich von Haus oder Wohnung noch während der Kreditlaufzeit trennen müssen. "Sie haben für 350 000 Euro gekauft, können aber nur für 300 000 Euro verkaufen". Auf dem Restbetrag bleibt der Verkäufer sitzen.

Vorfälligkeit und Entschädigung Geldinstitute lassen sich die vorzeitige Rückzahlung eines Kredits teuer bezahlen. Ihnen steht gesetzlich eine Vorfälligkeitsentschädigung zu, wenn im Vertrag ein fester Zinssatz vereinbart war. Dieser Ausgleich kann schnell im fünfstelligen Euro-Bereich liegen. Das belastet bei einer Vollfinanzierung erheblich: Ein für 350 000 Euro erworbenes, vollständig fremdfinanziertes Haus soll nach nur einem Jahr verkauft werden. Aufgrund niedriger Tilgung steht der Eigentümer noch mit 348 000 Euro in der Kreide. Die Bank verlangt obendrein eine Vorfälligkeitsentschädigung von 15 000 Euro. Unter dem Strich erhöhen sich die Schulden auf 363 000 Euro.

Fehlt mangels Spargroschen das Geld, um den Ausgleich aus eigener Tasche zu bezahlen, wird ein neuer - und teurer - Ratenkredit erforderlich. Sonst wackelt der Hausverkauf. Knobloch: "Die Bank geht nur bei Löschung der Grundschuld aus dem Vertrag. Das wird nur passieren, wenn keine Schulden mehr da sind."

(RP)
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