Serie: Architektur in NRW Diese sieben Bauten in NRW müssen Sie kennen

Düsseldorf · Moderne Bauten sind heute bunter, heller und raffinierter als noch vor Jahren. Die Zeiten des "Brutalismus" gehören der Vergangenheit an. Wir zeigen sieben spannende Beispiele in NRW.

Sieben architektonische Höhepunkte in NRW
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Sieben architektonische Höhepunkte in NRW

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Foto: kirchner

Moderne Architektur hat es nicht immer leicht. Mal gilt sie als kalt und unpersönlich, mal als Einheitsbrei oder zu wenig der Umgebung angepasst. Der "hässliche Klotz" ist beinahe sprichwörtlich geworden. Die Architekturforscher nennen diese Phase in der Baugeschichte wenig schmeichelhaft "Brutalismus".

Doch die Zeiten der hässlichen Klötze sind längst vorbei. Farbe, Form und Feinsinn haben Einzug gehalten in der postmodernen Architektur. Nordrhein-Westfalen ist nicht mehr Vorreiter dieser Entwicklung wie vor 100 Jahren. Doch wer aufmerksam durch die Region reist, findet schöne Beispiele moderner Architektur. Und oft lohnt der zweite Blick. Einen "Flucht- und Erkenntnisort für das wirkliche Leben" hat der österreichische Architekturtheoretiker Dietmar Steiner die Szene in Nordrhein-Westfalen genannt. Zehn interessante, innovative und ungewöhnliche Bauten der jüngsten Zeit stellt unsere Redaktion vor. Eine subjektive Auswahl sicherlich, aber sie zeigt die verschiedenen Richtungen in der modernen Architektur der Region.

Moderner Dreiklang

Die Krone in der Baukunst der jüngsten Zeit gebührt zweifellos zwei Museumsbauten, wie überhaupt kulturelle Bauten den besonderen Ehrgeiz der Architekten (schon seit alters her) herausfordern. In Essen schuf der britische Stararchitekt David Chipperfield mit dem Umbau des Folkwang-Museums ein Kleinod, das die Ruhrmetropole wieder zur Avantgarde der Kunst machte, zusammen mit den anderen Kulturbauten Aalto-Oper und neue Philharmonie. Der Dreiklang aus Musiktheater, Konzertsaal und Gemäldegalerie gab der Stadt, die nie ein wirkliches Zentrum hatte, eine neue Mitte.

Chipperfield gilt als einer der einflussreichsten zeitgenössischen Architekten und zeichnet sich durch seine zugleich hochtechnologische wie filigrane Arbeit aus. Alles wirkt wie aus einem Guss und ist doch höchst unterschiedlich. Es ist kühler Ausstellungsort und Kunst-Wohnzimmer zugleich, ein Meisterbau und ein Stück Weltarchitektur. 2010 wurde es eröffnet, die letzte Großtat des letzten Industriellen des Ruhrgebiets, Berthold Beitz, der Gelder der Krupp-Stiftung dafür lockermachte.

In seiner Bedeutung ähnlich ist das Museum Kolumba in Köln. "Wer dieses Gebäude betreten hat, erfährt die Verzauberung, die Architektur auslösen kann", heißt es in der Begründung für die Verleihung des NRW-Architekturpreises 2011, der an das 2007 gebaute Museum ging. Und das ist das Geheimnis dieses Baus, der von einem anderen internationalen Meister stammt, dem Schweizer Peter Zumthor. Es scheint, als habe sich der Architekt selbst in das Gebäude verliebt, das sich über den Mauern der Weltkriegsruine St. Kolumba erhebt, die ein Werk der Gotik war und einst zur wichtigsten Pfarrei nach der Domgemeinde gehörte.

Räume ohne sichtbare Schalter

Raffinierte Innenräume ohne sichtbare Schalter, Heizungen und Bedienelemente hat der Architekt geschaffen. Sie enthalten moderne wie klassische oder mittelalterliche Exponate in einer verrückt-ästhetischen Mischung, die obendrein in regelmäßigen Abständen wechseln. Der Hausherr des Diözesanmuseums, das Erzbistum Köln, hat eben viel auszustellen. Und so pilgern Architekturbegeisterte, Kunstliebhaber und fromme Christen in ein Gebäude, das sich mit den anderen architektonischen Highlights der Domstadt wie der Kathedrale, den romanischen und modernen Kirchen oder den anderen Museen durchaus messen kann.

Ist Kolumba im Kölner Zentrum ansässig, wurde die Immanuelkirche der beiden Berliner Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton für die evangelische Brückenschlaggemeinde Stammheim-Flittard in einem Außenbezirk errichtet. Das Büro Sauerbruch Hutton bricht gern mit den klassischen Formen und steht für eine schwungvolle innovative Architektur. Das Grundmaterial der neuen Kirche ist Holz, nicht Beton oder Stein, obwohl die beiden letzteren zu den üblichen urbanen Baustoffen zählen.

Vor allem Sauerbruch ist strikt gegen die Architektur der Rekonstruktion, wie sie derzeit in Berlin oder Frankfurt zelebriert wird (Hohenzollernschloss und Neues Frankfurter Zentrum). Er folgt lieber dem wichtigsten deutschen Baumeister der 19. Jahrhunderts, dem Berliner Friedrich Schinkel, der einmal erklärt hat: "Die Kunst ist überhaupt nichts, wenn sie nicht neu ist." Mit der Immanuelkirche haben Sauerbruch Hutton Neues geschaffen, das mit dem Deutschen Architekturpreis 2015 ausgezeichnet wurde.

640.000 Euro Bruttobaukosten

Doch bedeutende und innovative Architektur zeigt sich nicht nur in Entwurf und Größe. Im Haus Laures/Haus Steude in der Nähe des Bochumer Stadtparks versuchten die drei Architekten Renè Koblank, Olaf Ballerstedt und Thomas Helms vom Bochumer Büro Dreibund die Verbindung von Wärmedämmung und Ästhetik. Die meisten Architekten scheitern an dieser Aufgabe. Doch die Niedrigenergiehäuser kommen nicht nur mit einem Minimum an Strom und Heizung aus, sondern sind großzügig, transparent und wahren doch Privatheit, weil sie zur Straße geschlossen sind. Und mit 640.000 Euro Bruttobaukosten für beide Häuser sind sie sogar vergleichsweise günstig.

Der Düsseldorfer Architekt Martin Ritz-Rahman hat im Süden der Hauptstadt ein geschickt ins Grüne integriertes Familienzentrum für die Diakonie Düsseldorf geschaffen. Der aufgelockerte Gebäuderiegel des Luise-Nolte-Zentrums schützt die Kita gegen die Straße und schafft eine natürliche Begrenzung zu den üppigen Grünflächen der Anlage. Gebäude und Garten des Familienzentrums fließen ineinander.

So gar nicht nach einem muffigen Verwaltungsbau sieht schließlich das neue Rathaus in Goch aus. Wer von außen auf das Werk der beiden Gocher Architekten Marcus Wrede und Klaus Völling schaut, erwartet alles, nur nicht ein Rathaus. Die Glasfassade gibt dem Repräsentationshaus der Bürger ein transparentes, aber durch seine Achsteilung auch regelmäßiges Aussehen. Es soll symbolisieren, dass die Bürger nicht nur schlauer aus dem Rathaus gehen, sondern sich auch gleichmäßig gut behandelt fühlen. Zugleich ist die Farbgebung zurückhaltend, denn ein Rathaus ist nicht gebieterisch, sondern setzt den kommunalen Volkswillen um. Das Motto der Baumeister: "Bauen ist eine öffentliche Affäre."

1100 Gemeinschaftsstunden

Architektur und soziales Engagement kommen in der alten Samtweberei in Krefeld zusammen. Das Wohnprojekt in einer alten Fabrik nimmt gesellschaftspolitische Impulse aus den 80er Jahren auf, in denen gemeinschaftliches Wohnen und Arbeiten proklamiert wurde. Die Kölner Montag-Stiftung, die solche Initiativen unterstützt, begleitete das Projekt, das eine gemeinnützige Kapitalgesellschaft als Bauherrin und Vermieterin hat. 37 Mietwohnungen sind so entstanden. Der Bau wurde im April dieses Jahres fertiggestellt, alle Wohnungen bis auf eine sind schon vermietet. Und die ist für acht Euro den Quadratmeter Kaltmiete zu haben. Der besondere Clou des Projekts sind die "Viertelstunden", die die Bewohner an Gemeinschaftsarbeit leisten müssen. Stunden für das Viertel, sagen die Pioniere der "Samtweberei", die so seit der Eröffnung auf mehr als 1100 Gemeinschaftsstunden gekommen sind.

Dagegen nehmen sich die drei übrigen Bauten wieder eher repräsentativ und wuchtig aus. Das neue Hauptquartier des Stahl- und Maschinenbaukonzerns Thyssenkrupp in Essen ist eine klassische moderne Wirtschaftsarchitektur, auch wenn moderne Bürokommunikation wie vernetztes Arbeiten in schallgedämpften Großraumbüros die übliche Konzernhierarchie zumindest etwas flacher machen soll.

Die Rheinquerung der A44, für die Bewohner die "Niederrhein-Brücke", obwohl sich die Stadtverwaltung dazu nicht durchringen konnte, verbindet den Düsseldorfer Flughafen mit den linksrheinischen Gebieten. Die abgeflachten Pylone sind das Merkmal dieser ästhetisch eindrucksvollen Brücke, die gleichwohl die Natur- und Landschaftsschützer aufbrachte, als sie geplant wurde. Doch man fand einen Kompromiss, und die technische Innovation der Dreiecks-Pylone machte aus der Brücke eine Landmarke.

Einkaufskultur zeigt sich schließlich im Entwurf des innovativen Aachener Büros Kadawittfeld für das 2015 eröffnete Zentrum "Minto" in Mönchengladbach, das dort einen neuen Ankerpunkt schuf. Die runden Formen mindern das laute Konsumgetöse, das sonst Einkaufszentren zu unwirtlichen Orten macht. In Mönchengladbach wurde so ein Stück Stadtkultur gewonnen.

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