Architektur in NRW Wohnen im Himmel

Düsseldorf · Hochhäuser haben weltweit wieder an Attraktion gewonnen. Auch im Rheinland ist es plötzlich chic, ganz oben zu wohnen.

 Das "Colonia-Haus" in Köln mit seinen 147 Metern ist derzeit Deutschlands höchster Wohnturm.

Das "Colonia-Haus" in Köln mit seinen 147 Metern ist derzeit Deutschlands höchster Wohnturm.

Foto: dpa

Architektonischer Höhenwahn ist ein altes Phänomen. Schon die Babylonier wollten einen Turm in den Himmel bauen und alle bis dato gekannten Grenzen ausloten. Gott bestrafte die Menschen für ihre anmaßende Haltung, sich selbst zu Göttern machen zu wollen, mit Sprachverwirrung und zerstreute sie über die Länder.

Zweieinhalbtausend Jahre später wachsen weltweit Wohntürme in den Himmel und durchbrechen alle Rekorde. In New York baute unlängst der exzentrische Immobilienunternehmer Harry Macklowe den mit 426 Metern höchsten und mit umgerechnet einer Milliarde Euro Baukosten teuersten Wohnturm der westlichen Welt. Adresse: 432 Park Avenue.

Ein gigantischer Stalagmit aus Glas, dessen architektonische Schlichtheit in New York für viel Kritik sorgte. "Wenn New York ein Spielplatz für die Reichen ist, dann ist das hier sein Leuchtturm", ätzte die "New York Times". Von außen sieht das Gebäude aus wie ein überdimensioniertes Streichholz, innen glänzt der Luxus. Eigener Spa-Bereich, Concierge, Marmortreppen, Weinkeller. Eine 96 Stockwerke hohe Kathedrale des Kapitalismus. Prunkvoll, edel und sündhaft teuer. Das billigste Apartment war für rund sechs Millionen Euro zu haben, die Penthouse-Wohnung wurde 2013 für sage und schreibe umgerechnet 90 Millionen Euro verkauft.

Der moderne Turmbau zu New York ist ein spektakuläres Beispiel für den Hochbau im Wohnungsmarkt. Später retten sich in Deutschlands überfüllten Zentren Immobilienentwickler und Bauplaner ebenfalls in die Höhe. "Wenn Bauland und Wohnungen knapp sind, muss in die Höhe gebaut werden", sagt Michael Voigtländer, Immobilienökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Da vollzieht sich in Deutschlands Großstädten eine Entwicklung, die es längst in anderen Metropolen wie Singapur oder New York gibt."

Nicht nur der Mangel an Wohnraum, auch das veränderte Ästhetikbewusstsein der Investoren, Architekten und Bewohner verstärkten den Trend. Die Monotonie und Schlichtheit der 60er- und 70er-Jahre Wohnhaus-Silos in den Trabantenstädten deutscher Großstädte und die damit eingergehende soziale Ghettobildung hätten die Lust der Deutschen auf Wohnhochhäuser viele Jahre gemindert, so Voigtländer. "Aber heutige Planer achten viel stärker auf die urbane Qualität." Wohnhochhäuser entstehen in Top-Lagen.

In Frankfurt wird beispielsweise gerade ein 172 Meter hoher Wohnturm mitten in der City gebaut. Kapazität: 400 Wohnungen. Ein knappes Dutzend weiterer Wolkenkratzer, also Gebäude von mindestens 150 Meter Höhe, sind in der Main-Metropole in den kommenden Jahren geplant. In Berlin könnte 2018 der 150 Meter hohe A. Tower am Alexanderplatz fertiggestellt werden. Nur noch der gleich nebenan stehende Fernsehturm wird höher sein.

In der Hauptstadt bauen Immobilienentwickler weitere 18 Neubauprojekte mit 2700 Hochhauswohnungen. Ein Berliner Makler, der sich auf die vermögende, auswärtige Klientel spezialisiert hat, berichtet von erheblicher Nachfrage nach Penthouse-Wohnungen mit barrierefreiem Blick über die Stadt. "Es gibt Reiche aus Russland und dem Nahen Osten, die kaufen ungesehen unsere Penthouse-Wohnungen. Hauptsache Terrasse und Blick auf die Stadt."

Auch im Rheinland wird vertikales Bauen beliebter. In Köln arbeiten Stadtplaner und Immobilienfirmen an neuen Hochhäusern. Besonders im rechtsrheinischen Entwicklungsgebiet, in den Stadtteilen Deutz und Mülheim werden elegante Hochhäuser zum Bauen entstehen - mitten in einer aufgelockerten Bebauung. So sollen nach den Plänen des inzwischen ausgeschiedenen Kölner Planungsdezernenten Franz-Josef Höing zwischen Zoobrücke und Mülheimer Hafen 5000 Menschen ein neues Zuhause finden. Ankerpunkt soll ein bis zu 90 Meter hoher Wohnturm sein, der fünfthöchste in Köln. Einige Hundert Meter weiter im Norden soll ein ähnliches Hochhaus entstehen.

Köln gilt ohnehin als die deutsche Stadt mit den höchsten Wohntürmen. Das "Colonia-Haus", 147 Meter hoch und am Rhein gelegen, reicht fast bis an den Kölner Dom, der mit seinen 157,38 Metern die Traufe für Kölns Hochbauten bildet. Dort wohnen über 41 Etagen insgesamt 1000 Menschen.

Bis zu vier Zimmer umfassen die Wohnungen, unten ist ein Hallenbad für die Bewohner, nebst Sparkasse und Einkaufsmöglichkeiten. Die Straßenbahnhaltestelle ist gleich vor dem Eingang. Wer dort eine Wohnung mietet, muss schon im Schnitt 15 Euro für den Quadratmeter in einer kleineren Wohnung hinlegen. Allerdings sind viele Einheiten in Eigentumswohnungen umgewandelt.

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Foto: Meyer Schmitz Morkramer Architekten

Insbesondere in den 60er und 70er Jahren war die Domstadt das Eldorado des deutschen Hochhausbaus. Der damalige Baudezernent Werner Baecker trieb viele ehrgeizige Projekte voran. Allein im Jahr 1973 wurden sieben Wohnhochhäuser zwischen 68 und 147 Metern ihrer Bestimmung übergeben. "Hochhäuser geben einer Stadt das Flair einer Weltstadt", hieß es in einer Broschüre der Stadtverwaltung.

Danach folgte die Flaute im Wohnungsbau. Und auch der Bau von Hochhäusern mit Wohnzellen kam fast zum Stillstand. Erst als die Städte wieder wuchsen, wurde das Hochhaus in Köln wiederentdeckt. "Wir dürfen Hochhäuser nicht verteufeln", sagt der Kölner SPD-Landtagsabgeordnete und frühere Oberbürgermeisterkandidat Jochen Ott - mit Seitenhieb auf die Grünen, die kleinteilige Siedlungen bevorzugen.

In ähnlicher Weise forcierte Ex-Bauminister Michael Groschek (SPD) die Vertikale. "Es gibt weltweit gute Beispiele, dass Bauen in die Höhe faszinierend sein kann. Die Bürger müssen ihre Höhen-Angst verlieren", sagte er bei einem Ortsbesuch in der Domstadt. Sein Ministerium hatte errechnet, dass 120.000 Wohnungen allein in Nordrhein-Westfalen fehlen.

Erst recht müssen sich die beiden Boom-Städte Köln und Düsseldorf nach neuem Wohnraum umsehen, und da sind moderne, lebenswerte Hochhäuser ein zunehmend attraktiver Ansatz. Die Landeshauptstadt hat gleich mehrere Prestigeprojekte in Planung.

So entwickelt die Immobiliengesellschaft Catella, die schon das Thyssen-Handelszentrum zu einem Wohngebiet umwandelt, das Projekt "Grand Central" in der Nähe des bislang eher unwirtlichen Hauptbahnhofs. Beim Arag-Hochhaus am Mörsenbroicher Ei soll der "Upper Nord Tower" entstehen, das erste Wohnhochhaus mit mehr als 100 Metern Höhe in Düsseldorf. Die bunte Fassade könnte das schmale Oval zu einer städtebaulichen Attraktion machen.

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2016 hat das Beratungsunternehmen Bulwiengesa im Auftrag des Kölner Immobilienentwicklers Pandion erstmals den Hochhauswohnmarkt untersucht. Erkenntnis: Bis 2018 werden 79 Wohnhochhäuser mit knapp 10.000 Wohnungen in Deutschland gebaut. Angesichts der jährlich in Deutschland fertiggestellten 248.000 Wohnungen ein Anteil von nur vier Prozent.

Aber der Trend ist eindeutig. Allein zwei Drittel der Hochhaus-Wohnungen kamen in den vergangenen 24 Monaten dazu. "Das Wohnhochhaus erlebt eine Renaissance und einen Imagewandel", heißt es in der Analyse von Bulwiengesa. Die angespannte Wohnungslage in den Ballungszentren wird das Wachstum verstärken, sagt Oliver Arentz, Immobilienexperte am Institut für Wirtschaftspolitik an der Universität Köln. "Und die durchschnittliche Wohnungsgröße ist in den vergangenen Jahren ebenfalls angestiegen." Das heißt: Man wohnt heute gerne großzügiger. Wenn man es sich leisten kann.

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Die teuerste Hochhauswohnung Deutschlands steht übrigens in Hamburg. Wer in der Elbphilharmonie 110 Meter über dem Wasser residieren möchte, zahlt im Schnitt 25.000 Euro. Pro Quadratmeter, versteht sich.

(RP)
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