Abgasskandal Welche Zukunft hat der Diesel?

Der Selbstzünder steht spätestens seit dem Abgasskandal in der Kritik, viele Hersteller wollen ihn möglichst schnell abschaffen. Doch noch fehlen die Alternativen.

Dieter Zetsche hat gut lachen: Als studierter Elektro-Ingenieur würde der Daimler-Chef heute wahrscheinlich auch als Berufsanfänger mit Kusshand einen Job bei einem Automobilhersteller bekommen. Doch für angehende Maschinenbauer waren die Zeiten in der PS-Branche schon einmal besser. Denn während Elektronik und Elektroantriebe boomen, fährt der Verbrennungsmotor zusehends aufs Abstellgleis. "Die Zukunft des Antriebs ist emissionslos", hat Zetsche auf dem Pariser Salon gesagt und damit einen Abgesang auf Benziner und Diesel angestimmt.

Heute sieht die Situation noch so aus: Zetsche rechnet zum Jahr 2025 noch immer mit 80 bis 85 Prozent konventionellen Motoren im Verkaufsmix und bringt jetzt gerade eine neue Generation von Benzinern auf den Weg, die ab 2017 zunächst in der S-Klasse starten sollen. Außerdem hat Daimler in Polen für 2019 ein neues, 500 Millionen Euro teures Motorenwerk für Benziner und Diesel angekündigt. Als Mitte Oktober im Bundesrat ein generelles Zulassungsverbot für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab dem Jahr 2030 diskutiert wurde, war der Aufschrei Zetsches genauso laut wie bei den Vorständen von Audi, VW oder BMW.

Doch langfristig, so haben es Zetsche und sein VW-Kollege Matthias Müller in Paris anklingen lassen, wird die elektrische Revolution den Verbrenner womöglich ganz ersetzen. Doch als erstes wird es wahrscheinlich den Diesel treffen. Denn der ist nicht nur in der Image-Krise, seit die Abgasmanipulationen des VW-Konzerns ruchbar geworden sind. Sondern er ist auch teurer als ein Benziner und muss für kommende Schadstoffnormen noch aufwendiger gereinigt werden, was den Preisnachteil weiter erhöht, sagt der Automobilexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.

Außerdem ist der Diesel ein regionales Phänomen, das zumindest als Antrieb für Personenwagen nur in Europa eine nennenswerte Bedeutung hat. "Der Diesel hat seinen Zenit überschritten", ist der Experte deshalb überzeugt. Und wenn es womöglich bereits im Jahr 2017 in einigen Städten wie Düsseldorf wegen der hohen Belastung mit Stickoxiden tatsächlich Fahrverbote geben könnte, dürfte das den Niedergang noch beschleunigen.

Noch können es sich die Hersteller nicht erlauben, auf ein Pferd allein zu setzen. Aber mit Blick auf die Zukunft machen die Verantwortlichen keinen Hehl aus ihren Präferenzen: Audi-Vorstandsvorsitzender Rupert Stadler und VW-Konzernchef Müller fragen sich öffentlich, wie sie langfristig ihre Investitionen verteilen und sie noch Geld für die Weiterentwicklung des Diesels in die Hand nehmen sollen. Und der europäische Toyota-Vertriebschef Karl Schlicht hat eingeräumt, er würde für eine Baureihe lieber einen zweiten Hybrid-Antrieb entwickeln lassen als einen neuen Diesel. Für ihn sei der Selbstzünder nur noch eine lästige Pflicht, die Toyota solange mit durchschleppe, wie es eine Nachfrage gebe.

Die könnte schneller sinken als viele erwarten. Zwar registrieren die Hersteller noch keine nennenswerte Verschiebung im Kaufverhalten. Doch haben der Dieselskandal, die Diskussion um die Blaue Plakette und das generelle Verbot zu einer gewissen Verunsicherung geführt, sagt Hans-Georg Marmit von der Sachverständigenvereinigung KÜS - und rät Neuwagenkäufern zu überlegtem Handeln: "Ob und wann es eine Blaue Plakette gibt und wie sich das dann auf die Bewegungsfreiheit von Dieselmodellen auswirken wird, steht zwar noch in den Sternen", so Marmit. "Aber heute ein Dieselfahrzeug zu kaufen, das nicht der Euro-6-Norm entspricht, könnte mittelfristig ein Problem werden."

Fahrzeughaltern mit einer verhältnismäßig geringen Fahrleistung von weniger als 20.000 Kilometern, die ihren Wagen zudem über einen längeren Zeitraum behalten möchten, empfiehlt Marmit deshalb, nach sinnvollen Alternativen zu schauen.

Eine derart deutliche Kaufempfehlung wird man von Zetsche aktuell noch nicht hören. Schließlich müssen Daimler & Co. noch viele Benziner und Diesel verkaufen, bis ihre Akkufahrzeuge so weit sind. Doch für Schulabgänger hat der Mercedes-Chef schon jetzt einen guten Rat parat: "Elektro-Ingenieurswesen ist ein Studium mit Zukunft."

(RP)
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