Porsche 911 – ganz offen

Bei Porsches in Zuffenhausen, so kann man mit leiser Ironie behaupten, haben sie neuerdings ein Problem. Ein Luxus-Problem zwar, aber immerhin: Sie wissen nicht mehr so genau, welches der ohnehin ja nicht gerade hässlichen 911er Modelle sie als das schönere anpreisen sollen. Hatte hier auch unter den Carrera-Fans bislang das Coupé die Nase vorn, könnte sich mit der Einführung des neuen Cabrios die Sichtweise ändern. August Achleitner, der Leiter der Baureihe, hat sich jedenfalls schon festgelegt. Bei den ersten Testfahrten mit dem offenen 911er in der wilden Bergwelt Gran Canarias, so meinte er nicht ohne Stolz, werde man wohl "die vielleicht schönste Modellversion" erleben.

Wirklich widersprechen will man ihm nicht. Wie das Coupé überzeugt auch das Cabrio mit einem markanten Auftritt, der formvollendet Sportlichkeit und Eleganz verbindet. Wobei der Kraftprotz auch in der neuen Version noch ein wenig mehr herausgestrichen wird durch eine vorne deutlich breitere Spur und größere Räder, die den Wagen noch satter auf der Straße liegenlassen; und durch einen verlängerten Radstand, der gerade bei höheren Geschwindigkeiten die Fahrstabilität erhöht – und nebenbei auch den Komfort für die Passagiere.

Den kleinen, aber feinen Vorteil im internen 911er Schönheitswettbewerb liefert hingegen ausgerechnet ein Karosserie-Teil, das bei Cabrios gemeinhin für einen Punkteabzug sorgt: das Dach, das natürlich auch in der sechsten Cabrio-Version auf Basis des 911 aus Stoff ist, von den Porsche-Entwicklern in Weissach jedoch mit einem innovativen Unterbau versehen wurde. Mit verblüffendem, so bislang nicht erreichbarem optischen Erfolg: Im eleganten Bogen der "Mütze" vom Frontscheibenrahmen bis zum Verdeckkastendeckel bleibt die Silhouette des Coupés nahezu vollständig erhalten.

Das Zauberwort dazu heißt Flächenspriegel. Was so sperrig klingt, funktioniert in der Praxis ziemlich geschmeidig: Ursprünglich sind Spriegel quer eingebaute Metallstangen, die einem herkömmlichen Stoffdach mehr oder weniger Halt geben. Die Porsche-Techniker haben daraus flächige Elemente gemacht, über die – glatt und faltenfrei – das Stoffdach gespannt ist. Beim Öffnen des Verdecks legen sich die Teile formgleich übereinander, derweil der Stoff in der bewährten Z-Faltung abgelegt wird. Macht zusammen ein platzsparend unterzubringendes Paket von gerade 23 Zentimeter Höhe und 55 Zentimeter Länge. Wobei sich zum Flach- zusätzlich ein Leichtbaukonzept gesellt. Ein Großteil der Konstruktion besteht aus Magnesium, was gegenüber dem Vorgängermodell eine Gewichtsersparnis von immerhin acht Kilogramm ermöglichte. Womit auch das Dach ein ordentliches Stück beigetragen hat zum hehren Ziel, das gesamte Auto leichter zu machen und damit bei aller Power doch sparsamer.

Aber daran denkt man eher nicht, wenn die Hände das griffige Lederlenkrad umschließen, das angeblich als einziges Bauteil unverändert aus dem Vorgängermodell übernommen wurde. Wenn man das Grummeln und Grollen des Motors im Ohr hat und draußen die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg durch die Wolken finden. Dann will man es endlich genießen, das Freiluft-Theater, das so ein Cabrio verspricht. Lange warten muss man darauf beim 911er nicht: In 13 Sekunden ist das Dach geöffnet (oder umgekehrt geschlossen). Und wer erst losfährt und sich dann auf Frischluft und Sonnenschein besinnt, kann bis zu 50 km/h das Versäumte nachholen. Auch schön: Das Windschott ist jetzt integriert und elektrisch bedienbar, Ein- und Ausbau gehören der Vergangenheit an.

Auf der Straße steht das Cabrio dem Coupé in nichts nach. Die Motoren – 3,4 Liter mit 350 PS oder 3,8 Liter mit 400 PS – beeindrucken mit explosiver Kraftentfaltung, Fahrwerk und Lenkung mit einer Präzision, die auch die hochtourige Kurverei durch enge Bergstraßen zum puren Fahrvergnügen macht. Doch bei allem Spaß an der Tempobolzerei: Erst wenn das Dach zurückgeklappt ist und einem beim Dahingleiten der Fahrtwind um die Nase weht, wächst einem das Cabrio so richtig ans Herz.

Das alles hat natürlich seinen Preis. Für den Einstieg in die Welt des neuen Frischluft-Elfers sind 100 532 Euro fällig, der Carrera S schlägt mit 114 931 Euro zu Buche, dank üppiger Ausstattungsoptionen jeweils mit deutlichem Steigerungspotenzial. Das entspricht einem Aufschlag von rund 12 500 Euro gegenüber dem Coupé. Gleichwohl geht man bei Porsche davon aus, dass der Cabrio-Anteil bei rund 40 Prozent liegen wird. Vom 3. März an stehen die Autos bei den Händlern.

(RP)
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