Grazile Giugiaro-Schönheit BMW 3200 CS - der andere Bertone

Düsseldorf · Nein, unser Bertone ist ausnahmsweise kein Alfa Romeo, sondern ein BMW 3200 CS. Ausnahmsweise deshalb, weil von den Coupés aus Mailand tausende gebaut wurden und von dem schlichten V8-Zweitürer aus München kaum 600 Stück. Wir haben die grazile Giugiaro-Schönheit entführt.

BMW 3200 CS Bertone - grazile Giugiaro-Schönheit
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BMW 3200 CS Bertone - grazile Giugiaro-Schönheit

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Die Sechziger waren eine wilde Auto-Zeit, in der noch viel selbst geschraubt wurde und Tuning bedeutete, dass man an Vergasern herumspielte und die Maße der Brennräume veränderte durch Aufbohren statt mit Chips die Motorsteuerung zu optimieren. Damals waren die richtigen Hingucker unter anderem knatternde Fiat-Ableger aus der Abarth-Schmiede, und Alfa Romeo konnte BMW noch die Stirn bieten als echter Rivale.

Anfang der Sechziger war der Himmel aus BMW-Perspektive eher schwarz. Der Münchener Autobauer konnte zwar damals mit Achtzylindern auftrumpfen, und das zu einer Zeit, als Mercedes seinen ersten Nachkriegs-Achtender noch nicht einmal auf der IAA präsentiert hatte — aber finanziell sah es übel aus.

Herbert Quandt musste mit Barmitteln aushelfen, um die Überlebensfähigkeit des Konzerns zu sichern — und die just im gleichen Jahr wie der 3200 CS eingeführte Neue Klasse tat ihr Übriges dazu. Und wenn man genau auf BMWs Luxus-Segment von einst schaute, wurde klar, dass damit keine Blumentöpfe zu gewinnen waren — heute sind die schon damals als Neuwagen altmodischen und technisch überholten Luxuskarossen aus München wieder reizvoll — ob nun 501/502 (Barockengel), das 503-Coupé oder eben der 3200 CS.

Faszinierende Oldtimer vor traumhafter Kulisse
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Letzterer war ein ziemlich glückloser Kandidat — denn die geringen Stückzahlen waren das Resultat einer fatalen Mischung aus womöglich unfreiwillig hoch aufgehängter Exklusivität und gleichzeitig antiquierter Technik, die zu mangelnder Kauflust führte. Denn mit fast 30.000 Mark im Jahr 1962 war der Oberklässler sündhaft kostspielig und nicht weit vom luftgefederten Mercedes 300 SE Coupé mit Automatikgetriebe entfernt.

Und es ist fast ein bisschen ironisch, dass der eher undynamische Gleiter ausgerechnet den gleichen Spitznamen trägt wie die rassigen, scharfen Bertone-Coupés des damaligen Rivalen Alfa Romeo — aber er hat mit Giugiaro eben den gleichen Designer. Doch die Autos spielen schließlich in einer komplett anderen Liga.

Mit 3,2 Liter-Alu-V8 ausgerüstet gibt das wunderschön schlicht gestaltete Coupé einen attraktiven Einstand. Dass es noch auf einer Rahmen-Konstruktion basiert und nicht mit Servolenkung auszurüsten war, störte damals vielleicht, heute gehört dieses Verzichtprogramm ja zu den schrulligen Eigenheiten. Und als modernes Kontrastprogramm gibt es immerhin elektrische Fensterheber, vor rund 55 Jahren schier unglaublicher Luxus.

Lassen wir die wohldosierte Portion Luxus also auf uns wirken, wozu nicht nur die Scheibenheber gehören. Ein breiter Streifen an Holzfurnier auf dem Armaturenbrett weist dezent auf die Fahrzeugkategorie hin — solche Art der Deko war schließlich nicht jedem Segment vergönnt.

Dann das große Lenkrad, das aber auch aus praktischen Erwägungen sein muss: Spätestens, wenn man den ausladenden BMW in Bewegung setzt, weiß man, dass eine Servolenkung vielleicht doch sinnvoll gewesen wäre. Vor allem beim Rangieren muss man mit roher Muskelgewalt an dem schmalen Kranz zerren. Einmal in Bewegung, geht das Steuern allerdings ganz gut von der Hand —abgesehen von dem Spiel in der Mittellage und der Präzision, die auch einem Schifftanker zur Ehre gereicht hätte.

Ein sportliches Auto ist der mit großen Glasflächen ausgerüstete V8 ohnehin nicht, schiebt er sich auch fahrwerktechnisch eher träge durch die Kehre, 160 PS hin oder her. Das schwere Aggregat auf der Vorderachse steuert selbst auch seinen Teil dazu bei, dass man auf geschwungenen Landstraßen lieber ein bisschen Zurückhaltung walten lässt. Was passiert, wenn man es nicht täte — will man gar nicht wissen.

Solange man es nicht hektisch angehen lässt (außer bei Geradeausfahrt), ist alles fein. Sonore Achtzylinder-Klänge entweichen dem Bug, die dem 3200er eine feine Note verpassen — aufdringlich ist nämlich anders, wenngleich der Sechziger-BMW auch nicht richtig leise ist. Man kann mit dem wattig gefederten Münchener dennoch recht angenehm hohe Durchschnittstempi auf der Autobahn erzielen, weil er sich selbst ein gutes Stück oberhalb von Richtgeschwindigkeit wohl fühlt. Bei 160 km/h ist alles im grünen Bereich, an die ambitionierte Drehzahl im vierten Gang gewöhnt man sich nach einiger Zeit auch.

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Foto: dpa, loe

Irgendwie ist die Viergang-Box ein Fremdkörper, auch wenn sie sich ordentlich bedienen lässt. Jedenfalls gilt das bei gefühlvollem Umgang mit dem etwas sperrig wirkenden Hebel in der Mitte. Die Gänge schnell durchreißen ist eine ähnlich schlechte Idee wie Hektik in der Kurve.

Der BMW-Bertone gibt den feinen Cruiser, der auch platzmäßig eine ziemlich gute Figur macht — bei 4,83 Metern Außenlänge natürlich auch nicht völlig überraschend. Das unauffällig gezeichnete Coupé besticht durch Eleganz, wird aber spätestens wieder auffällig, wenn Passanten über das Modell rätseln. Angesichts kaum 600 gebauter Exemplare hält sich der Bekanntheitsgrad in Grenzen. Schön, innerhalb einer Mainstream-Marke was außergewöhnliches fahren zu können.

Chronik:
1961: Vorstellung des BMW 3200 CS auf der IAA
1962: Markteinführung des BMW 3200 CS
1965: Nach kurzer Bauzeit endete die Fertigung des Bertone-Coupés glücklos (Patrick Broich/SP-X)

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Zweitüriges Coupé der Oberklasse, Länge: 4,83 Meter, Breite: 1,72 Meter, Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,84 Meter
3,2-l-Achtzylinder-Otto mit Doppel-Vergaser (Zenith), 118 kW/160 PS, maximales Drehmoment: 235 Nm bei 5.600 U/min, Vmax 200 km/h, 0-100 km/h in 12 s
Ehemaliger Neupreis (1962): 29.850 DM

Heutiger Marktpreis nach Classic Data:
BMW 3200 CS
Note 1: 109.200 Euro
Note 2: 85.000 Euro
Note 4: 62.600 Euro

Ersatzteilpreise
Vergaser: etwa 240 Euro
Stoßstangen-Set: circa 1250 Euro
Glas für Rückfahr-Scheinwerfer: etwa 35 Euro

(SP-X)
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