Unfallstatistik Senioren fahren langsam, aber riskant

Dortmund · Nach den Ereignissen am Wochenende ist die Debatte um ein Fahrverbot für ältere Autofahrer wieder neu entfacht. Fakt ist: Ältere am Steuer sind noch keine Hochrisikogruppe. Aber sind sie an einem Unfall beteiligt, haben sie ihn in 75 Prozent der Fälle verursacht.

Was war passiert? In Baden-Württemberg hatten gleich zwei Pkw-Fahrer die Bremse mit dem Gas verwechselt. Ein 84-Jähriger fuhr mit seinem Wagen in Bad Säckingen in eine Menschengruppe vor einem Straßencafé, zwei Personen kamen dabei ums Leben, zwölf wurden schwer verletzt. Nur wenige Stunden später stürzte ein 72-Jähriger ebenfalls durch die Verwechslung der Pedale in seinem Auto fünf Meter in die Tiefe. Und in Dortmund fuhr ein 79-Jähriger auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums in zwei geparkte Autos.

"Vorne und hinten haben wir ein Problem"

In Nordrhein-Westfalen waren nach Angaben der Polizei im vergangenen Jahr knapp 1600 Menschen ab 65 Jahren schuld an einem Unfall mit Verletzten oder Toten. "Wenn Senioren über 75 Jahre in Unfälle verwickelt sind, haben sie diese auch zu rund 75 Prozent selbst verursacht", sagt Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Damit seien sie riskanter unterwegs als die Hochrisikogruppe der 18- bis 24-Jährigen. "Es ergibt sich eine Art Wanne: Vorne und hinten haben wir ein Problem", sagt Brockmann über das Alter der Unfallverursacher.

Obwohl Senioren so häufig verantwortlich für Unfälle sind, werden sie von den Verkehrsverbänden noch nicht als Risikogruppe eingestuft. Der Grund: Der Anteil älterer Autofahrer am Straßenverkehr ist im Vergleich zu der Zahl der jüngeren noch deutlich niedriger. Brockmann geht davon aus, dass sich das aber bald ändern werde. Denn die Zahl fahrender Senioren werde durch den demografischen Wandel in den nächsten Jahren deutlich steigen; außerdem hätten auch immer mehr Frauen einen Führerschein und würden somit die Zahl der Fahrer im gehobenen Alter steigern. "Das heißt aber nicht, dass Frauen nicht Auto fahren können", betont Brockmann.

"Eine Schulung bringt nichts mehr"

Ältere Fahrer hätten Probleme, sich in komplexen Situationen - wie etwa im Kreuzungsbereich - zu entscheiden, sagt der GDV-Unfallforscher. "Eine Verkehrsschulung gegen unsicheres Fahren im Alter bringt aber nichts mehr." Der Leiter der Unfallforschung ist allerdings gegen einen möglichen Führerscheinentzug im Alter, sondern fordert stattdessen verpflichtende Testfahrten. Die Betroffenen sollen dadurch ihre Fähigkeiten besser einschätzen und ihre Fahrweise darauf einstellen können. In den Testfahrten sollen Fachleute mit den Senioren mitfahren und sie in bestimmten Situationen beobachten. Anschließend sprechen sie Empfehlungen aus. So könnten Gefahrensituationen, wie etwa das Autofahren bei Nacht, vermieden werden, sagt Brockmann. Gleichzeitig würden die Senioren jedoch ihre Mobilität behalten - und nicht entmündigt werden, ein wichtiger Aspekt für viele ältere Menschen. Das Auto sei für sie ein Mittel zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sagt Roland Sing, Vorsitzender des Landesseniorenrates. Es sei kein Wunder, dass sich alte Menschen so an ihren Führerschein klammern, sagt er. "Denn mit dem Auto kommen sie selbst zum Einkaufen, zu kulturellen Veranstaltungen, zu Familienangehörigen sowie zum Arzt."

"Gerade Ältere fahren häufig langsam"

Das Bundesverkehrsministerium hatte sich zuletzt gegen eine strengere Überprüfung von Älteren ausgesprochen - und bleibt dabei: Es gebe keine Überlegungen für Pflichttests für Senioren, sagte ein Sprecher des Ministeriums. Senioren stellen keine Risikogruppe im Straßenverkehr dar, ist sich auch ADAC-Experte Roman Suthold sicher. "Es gibt zwar auch immer wieder dramatische Unfälle wie am Wochenende, aber über das Jahr gesehen sind sie eher die Minderheit", sagt der Verkehrsexperte vom ADAC Nordrhein. Senioren hätten zwar eine verlangsamte Reaktionszeit, doch diese würden sie durch eine vorsichtige Fahrweise wieder ausgleichen. "Gerade Ältere fahren häufig langsam", sagt Suthold.

Jüngere Leute würden hinterm Steuer im Vergleich zu Senioren eine höhere Risikobereitschaft an den Tag legen. "Sie fahren zu schnell und kommen dadurch etwa von der Fahrbahn ab", sagt der ADAC-Fachmann. Junge Fahrer zwischen 18 und 24 waren im vergangenen Jahr in NRW in 3700 Fällen Unfallverursacher. Die Gruppe der 25- bis 64-Jährigen war zwar in rund 25.000 Unfälle verwickelt, allerdings nur in 7000 Fällen Verursacher, so die Zahlen des Landesamts für Polizeiliche Dienste (LZPD). Während bei der Gruppe der unter 25-Jährigen die hohe Geschwindigkeit eine große Rolle spiele, verursachen Senioren deshalb eher selten einen Unfall.

(RP)
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