Eine Verteidigungsrede Ein Herz für den Verbrennungsmotor

Düsseldorf · Der Abgas-Skandal ist in aller Munde. Aber nicht nur der Diesel, auch der Benziner wird mehr und mehr verteufelt. Und das Auto wird als Zukunftsfeind diffamiert. Eine Verteidigungsrede.

 2005 testete der Autor Jörg Isringhaus für unsere Zeitung einen Ford Mustang Cabrio. Es scheint ihm Spaß gemacht zu haben.

2005 testete der Autor Jörg Isringhaus für unsere Zeitung einen Ford Mustang Cabrio. Es scheint ihm Spaß gemacht zu haben.

Foto: Karlheinz Jardner

Benzinblüter brauchen derzeit starke Nerven. Müssen sie doch mit ansehen, wie ihr Objekt der Begierde einen beispiellosen Imagewandel erlebt. Gerade war das Automobil noch Wohlstandssymbol und Freiheitsversprechen, schon ist es Umweltverpester und Zukunftsfeind. Absturz auf ganzer Linie.

Die Grünen möchten die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren ab 2030 verbieten, die Briten ab 2040. Schuld daran, gerade was das atemraubende Tempo dieses Niedergangs angeht, ist der Abgasskandal. Genauer gesagt: der dreiste Versuch der Industrie, den Diesel als sauber zu verkaufen. Seither wird das Auto an sich in Kollektivhaft genommen. Ausbaden müssen das diejenigen, die (wie ich) darin nicht nur eine Möglichkeit sehen, von A nach B zu kommen, sondern eine der schönsten Nebensachen der Welt. Zeit also für eine Verteidigungsrede.

Abgaspfusch und Elektromobilität mal beiseite lassen

Gerade die Beziehung der Deutschen zum Auto ist geprägt von Liebe und Leidenschaft. Interessieren sich etwa Amerikaner mehr für den Nutzwert ihres Vehikels, was es ziehen und transportieren kann, begeistern sich Deutsche für die Technik. Abgaspfusch und Elektromobilität mal beiseite gelassen, bauen deutsche Hersteller immer noch die besten Autos der Welt.

Für die deutsche Wirtschaft ist das Auto ein zentrales Produkt, für die Gesellschaft identitätsstiftend, für den Einzelnen oft ein Statussymbol, zumindest aber das teuerste Konsumgut seines Lebens, mithin eine möglicherweise existenzielle Entscheidung. Erst wird um die Anschaffung gerungen, später darum, das Vehikel verkehrstüchtig zu halten - eine Beziehung zum Auto durchläuft Höhen und Tiefen, wurde in der Jugend mit ölverschmierten Händen zusammengeschweißt wie eine durchgerostete Karosserie und mit ein wenig Herumschrauben am Leben erhalten. So eine Liebe währt ewig.

Plötzlich ist das alles schlecht, der Geruch nach Benzin und Öl, das sonore Brabbeln eines Achtzylinders, der gelegentliche beherzte Tritt aufs Gaspedal. Das Ausleben einer Freiheit also, nach der eine mobile Gesellschaft ja verlangt und die Grundlage ist für wirtschaftlichen Erfolg, vor allem hierzulande. Diese persönliche Freiheit mit dem Auto zu erleben, ist eine elementare Erfahrung. Die, ganz nebenbei, auch höllischen Spaß bereiten kann.

Jetzt aber soll der Diesel nicht der technologisch hochkomplexe Motor sein, der Sparsamkeit mit Spritzigkeit verbindet, sondern doch der Stinker, für den ihn alle immer hielten. Was natürlich Quatsch ist: Nicht der Motor ist hier das Problem, sondern die Ingenieure, die sich vermeintlichem ökonomischen Druck beugten und ihre Kunden betrogen. Was wir bei der Diesel-Affäre gerade erleben, ist eine generelle Verteufelung durch ein ökologisches Trommelfeuer, in dem Zwischentöne verhallen.

Wer rüstet eigentlich Schiffe nach, die mit Schweröl fahren?

Abgase vergiften unsere Städte: Ja, das tun sie, dennoch haben sich verkehrsbedingte Stickoxid-Emissionen in den vergangenen 25 Jahren um 70 Prozent verringert. Nur sind die Grenzwerte noch stärker gesunken. Unverständlich auch, warum in Büroräumen rund 20 Mal so viel Stickoxid zulässig ist wie im Straßenverkehr.

Experten haben immer wieder, auch im Bundestag, auf die vergleichsweise niedrigen Stickoxid-Grenzwerte im Straßenverkehr hingewiesen. Und wer rüstet eigentlich Schiffe nach, die mit Schweröl fahren und tonnenweise Stickoxide in die Luft blasen? Schätzungen zufolge soll nur ein Kreuzfahrtschiff rund 450 Kilo Feinstaub abgeben — täglich. Fakt ist: Nur 30 Prozent der Stickoxid-Belastung sind auf das Auto zurückzuführen.

Auch das Argument, dass die fossilen Brennstoffe ausgehen, rechtfertigt nicht den Abgesang auf den Verbrennungsmotor. Durch Fracking und neue Vorkommen herrscht vorerst kein Mangel, dazu sinkt der Ölverbrauch des Individualverkehrs. Es gilt eher, die Motoren so zu optimieren, dass der Schadstoffausstoß so gering wie möglich ist, eventuell in Kombination mit anderen Techniken wie Wasserstoff, Gas oder elektrischen Antrieben.

Diese Stoffe kommen aus dem Auspuff
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Foto: dpa, jst jhe

Das alleinige Heil in der Elektrifizierung zu suchen, möglicherweise politisch per Dekret zu einem Zeitpunkt X verordnet, wirkt dagegen weltfremd und überhastet. Weder Technik noch Infrastruktur der E-Mobilität sind, Stand heute, alltagstauglich; Wird der Verbrenner sozusagen abgeschaltet, droht das Auto ein Privileg für Wenige zu werden, die es sich leisten können. Nebenbei belastet ein E-Auto, berücksichtigt man Teile und Energiebedarf, die Umwelt heute genauso stark wie ein Diesel.

Galgenfrist, Verlängerung

Der Verbrennungsmotor, auch der Diesel, braucht eine Galgenfrist, eine Verlängerung. Schon allein deshalb, weil er in Hunderten Varianten den Alltag befeuert. Und die Kunst. Oder kann sich jemand James Bond im E-Mobil vorstellen? Der Elektromotor nivelliert aufgrund seiner technischen Bauart den Antrieb, es wird keine große Bandbreite mehr geben (außer beim Design natürlich), das autonom fahrende Automobil raubt dann noch das letzte Vergnügen. Am Ende lassen wir uns von Nähmaschinen-Motörchen zur Arbeit fahren, was für eine Vision.

Auto-Gegner werden jetzt stöhnen. Ja, das Auto ist längst kein Statussymbol mehr wie früher, gerade unter Jüngeren. Und der Mobilitätswandel muss sein, der Umwelt und uns zuliebe. Daran führt kein Weg vorbei, das hat jeder begriffen. Das ist auch in Ordnung so. Irgendwann regelt sich das ohnehin von alleine, spätestens dann, wenn das Öl nur noch tröpfelt. Dann wird der Verbrennungsmotor das sein, was heute die Vinyl-Platte ist. Etwas für Enthusiasten, für Liebhaber, für Genießer.

Heute, so scheint es, ist er nur noch etwas für Schmuddelkinder. Doch mit denen macht das Spielen ja immer den größten Spaß.

Der Autor fährt einen zehn Jahre alten BMW 520 Diesel mit Euro-4-Norm.

(jis)
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