Nach Urteil in Düsseldorf Was Sie zum Streit um die Diesel-Verbote wissen müssen

Düsseldorf/Berlin · Dieselautos werden nach einem Urteil des Düsseldorfer Verwaltungsgerichts möglicherweise bald aus der Landeshauptstadt verschwinden. Wirtschaft und Gewerkschaften befürchten Konsequenzen für den Handelsstandort, der Deutsche Städtetag will längere Fristen für die Einhaltung der Grenzwerte.

 Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verklagt systematisch Städte in Deutschland, wenn diese sich nicht an die Grenzwerte halten.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verklagt systematisch Städte in Deutschland, wenn diese sich nicht an die Grenzwerte halten.

Foto: dpa

Und während die Post erklärte, sie würde wohl ab 2017 Elektroautos in Düsseldorf zum Schutz der Umwelt einsetzen, bereitet die für Luftreinhaltepläne zuständige Bezirksregierung Konsequenzen vor. Es sei zu "prüfen", ob das Land eine Art "blaue Plakette" für besonders saubere Dieselautos einführen könne. Das erklärte die Bezirksregierung Düsseldorf. Als Ergebnis wäre möglich, die Mehrzahl der Dieselautos von verschiedenen Innenstädten fernzuhalten. Wir beantworten die wichtigsten Fragen zum neuen Dieselstreit.

Warum entschied das Gericht jetzt?

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verklagt systematisch Städte in Deutschland, wenn diese sich nicht an den seit 2010 geltenden europaweiten Grenzwert von 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft halten. Dabei ist nun in Düsseldorf das wohl radikaleste Urteil herausgekommen: Nachdem bereits Darmstadt, Limburg, München, Offenbach, Stuttgart und Wiesbaden Städte verdonnert wurden, ihre Luftreinhaltepläne zu verschärfen, legt das Düsseldorfer Gericht nun ausdrücklich ein Fahrverbot als Option nahe.

Der Grund ist: Trotz zahlreicher Maßnahmen in den Luftreinhalteplänen 2008 und 2013 wie einer "Grünen Umweltzone" habe der NO2-Wert 2015 in Teilen der Stadt immer noch bei 59 Mikrogramm pro Kubikmeter gelegen. Die staatliche Pflicht zum Schutz der Gesundheit fordere jedoch eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes — immerhin haben zu hohe Werte deutliche Konsequenzen. Vor allem die Atemwege werden belastet. Asthmatiker in betroffenen Gebieten tragen das größte Risiko: in Düsseldorf beispielsweise in der Nähe der Corneliusstraße in der City. Laut Umwelthilfe kommen 46 Prozent der NO2-Emmissionen da von Autos.

Schadstoffwerte: Der Streit um die Diesel-Verbote
Foto: Radowski

Wer wäre in der Stadt betroffen?

In der Landeshauptstadt sind 282.000 Pkw zugelassen (Stand 2012). Falls also wie im Bundesdurchschnitt jeder dritte Wagen ein Diesel ist, könnten 94.000 Pkw von einem Fahrverbot betroffen sein. Hinzu kommen 12.000 Nutzfahrzeuge, die überwiegend Diesel tanken. Viele Inhaber der Nutzfahrzeuge sind Handwerker, die fast immer Dieselwagen haben. NRW-Handwerkspräsident Andreas Ehlert warnt: "Wir halten ein komplettes oder weitgehendes Fahrverbot für Diesel in der Stadt oder in großen Teilen der Stadt für undenkbar. Denn das würde schlicht bedeuten, dass keine Handwerker mehr in die City fahren und die Versorgung der Geschäfte und Baustellen sichern können." Ehlert weist daraufhin, dass es viele kleinere Lieferwagen nur mit Dieselmotor gibt.

Was ist mit den Pendlern?

Rund 290.000 Menschen pendeln zur Arbeit nach Düsseldorf, 93.000 verlassen die Stadt. Rund 70 Prozent der Anreisenden aus den Kreisen Neuss und Mettmann kommen mit dem Auto, viel weniger werden es aus Köln, Ratingen oder Essen als weiteren wichtigen Herkunftsstädten auch nicht sein. Da Pendler überdurchschnittlich Diesel fahren, wären von einem Diesel-Fahrverbot also grob geschätzt rund 100.000 Bürger betroffen — sofern fast alle diese Wagen draußen bleiben.

Was meinen Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Der DGB NRW ist kritisch gegenüber schnellen Fahrverboten. "Wir brauchen Übergangsregeln", sagt Achim Vanselow, Wirtschaftsexperte bei der Organisation. Er ergänzt: "Es war wohl ein Fehler, das Überschreiten der Grenzwerte zu wenig ernst genommen zu haben. Aber jetzt wären Fahrverbote riskant, weil die Menschen so schnell nicht auf andere Fahrzeuge umsteigen können und bei teilweise gesperrten Strecken Umwege fahren."

Die IHK Düsseldorf sieht die Situation ähnlich: "Die vom Verwaltungsgericht angeregten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge dürften zu erheblichen Problemen und Widerständen bei Gewerbetreibenden und Berufspendlern führen", so Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf. Er warnt auch davor, dass die Landeshauptstadt als Einkaufsstadt stark betroffen wäre: "Kunden aus dem Umland könnten Düsseldorf den Rücken kehren, wenn sie nicht mehr mit dem Auto anreisen dürften. In der Summe schadet ein Fahrverbot dem Handelsstandort Düsseldorf empfindlich."

Was wird nun passieren?

Die Umwelthilfe gibt bei ihrer Prozessflut für saubere Luft erst richtig Gas: Auch Aachen, Köln, Bonn, Essen und Gelsenkirchen wurden verklagt. Neuss Droht der Verein mit Klage. Es sind ähnliche Urteile wie in Düsseldorf zu erwarten. In Limburg und München versucht die Umwelthilfe, die Verwaltung mit Vollstreckungsbeschlüssen zum Handeln zu zwingen, nachdem erste Urteile zu keinen radikal anderen Ökoregeln führten.

Angesichts dieser Situation fordert der Deutsche Städtetag eine Aufweichung der Regeln zur NO2-Reduktion: "Wir sind in einer Situation, in der Fahrverbote kaum zu verhindern sind, wenn die Grenzwerte eingehalten werden sollen", sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Aber man könne nicht wollen, dass die Städte lahmgelegt werden. Darum fordert er eine langfristige Strategie: "Die Automobilindustrie muss die Fahrzeuge sauberer machen. Nur wird dies wohl nicht kurzfristig die Werte reduzieren. Deshalb muss die Bundesregierung mit der Europäischen Union über eine lebensnahe, realistische Verlängerung der Fristen zur Einhaltung der NO2-Grenzwerte reden. Unabhängig davon gilt: Bund und Länder müssen die Kommunen deutlich besser unterstützen, den öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern und die Busflotten auf umweltfreundliche Antriebe umzustellen. Das trägt dazu bei, Schadstoffe zu reduzieren."

(mar, kowa, csh)
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