Werksbesichtigung in Molsheim Im Atelier der Träume - zu Besuch bei Bugatti

Molsheim · Der Bugatti Chiron ist der exklusivste und teuerste Serien-Supersportwagen der Welt. Nur 500 Exemplare werden von dem 1500-PS-Biest gefertigt – alle in Handarbeit im elsässischen Molsheim. Ein Besuch in der automobilen Traumfabrik.

Zu Besuch bei Bugatti in Molsheim, Heimat des Chiron
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Der Bugatti Chiron ist der exklusivste und teuerste Serien-Supersportwagen der Welt. Nur 500 Exemplare werden von dem 1500-PS-Biest gefertigt — alle in Handarbeit im elsässischen Molsheim. Ein Besuch in der automobilen Traumfabrik.

Früher standen die Rehe direkt vor dem Château St. Jean. Die Kunden beobachteten sie beim Grasen auf der Wiese, während sie durch die historische Ausstellung der Familie Bugatti schlenderten. Mittlerweile hält die Rehe ein Zaun vom imposanten Jagdschloss aus dem Jahr 1857 fern — durch die mehr als sechs Hektar große Parkanlage streifen sie aber immer noch.

Ob sich die scheuen Tiere heute noch so nah an das Château heranwagen würden, ist fraglich. Der Publikumsverkehr hat deutlich zugenommen. Immer mehr Bugatti-Kunden werden in dem Herrenhaus empfangen. Sie alle wollen dabei sein, wenn nur einen Steinwurf entfernt in der Manufaktur der leistungsstärkste, exklusivste und luxuriöseste Serien-Supersportwagen der Welt gebaut wird: der Bugatti Chiron.

"Atelier" wird die Produktionshalle am Firmenstammsitz im elsässischen Molsheim genannt. Der deutsche Architekt Gunter Henn entwarf die in Anlehnung an das Bugatti-Logo ovalförmige Fertigungshalle. Seit 2005 entstand hier auf lediglich 1000 Quadratmetern erst der Bugatti Veyron 16.4 und nun der Chiron. Und Atelier darf man durchaus wörtlich nehmen, denn die Produktion des in Deutschland mindestens 2,97 Millionen Euro teuren Supersportlers ist eine Kunst für sich.

Aus 1800 Einzelteilen entsteht in einem halben Jahr Handarbeit ein 1500 PS starkes Unikat. "Wir haben bei uns keine Fertigungslinie. Die Teile werden für jede Produktion einzeln bestellt", erläutert Christophe Piochon, Mitglied der Bugatti-Geschäftsführung und verantwortlich für Produktion und Logistik. Wer heute einen Chiron bestellt, muss laut Piochon rund dreieinhalb Jahre auf sein Fahrzeug warten. Und das, obwohl die Produktion für das neueste Modell von rund 50 auf 70 Exemplare im Jahr erhöht wurde.

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Foto: Hersteller

Der weiße Boden der Fertigungshalle erinnert an einen Laufsteg. Blank poliert kann man sich darin spiegeln. Ölflecke oder dreckige Lappen, verstreutes Werkzeug und offene Verpackungen, die in der Ecke liegen, sucht man hier vergebens. Die 21 Mitarbeiter im Atelier sind es gewohnt, dass ihnen die Kunden auf die Finger schauen. Regelmäßig sind sie bei der Entstehung ihres Fahrzeuges dabei. Auf Wunsch dürfen die Käufer sogar selbst Hand anlegen und einen Tag an ihrem Wagen mit schrauben.

Die Arbeitsplätze sind wie Boxen eingerichtet. Zwölf Stationen durchläuft der Chiron bis zur Fertigstellung: von der Vorbereitung des über eine halbe Tonne schweren Antriebstrangs bis zur optischen Abnahme im Lichttunnel. Alles in Handarbeit. Einziges elektronisches Hilfsmittel ist eine Schraubertechnik, mit der überprüft wird, wenn eine Verschraubung das richtige Drehmoment erreicht hat. Mehr als 1800 Schraubstellen gibt es im Chiron.

In der Fertigungshalle wird auch der 16-Zylinder-Motor zum ersten Mal gestartet. "Danach müssen die einzelnen Parameter aufeinander abgestimmt werden", sagt Piochon, "das ist wie bei einem großen Orchester."

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Foto: Bugatti

Anschließend geht es auf den Rollenprüfstand — laut Bugatti der leistungsstärkste der Welt. "Wir brauchten einen neuen, denn als wir das erste Mal den Chiron auf dem alten Prüfstand hatten, sind hier alle Lichter ausgegangen", erinnert sich der Geschäftsführer. Die neue Version hält auch den 1500 PS des Chiron und Geschwindigkeiten von bis zu 200 km/h stand. Die dabei entstehende überflüssige Energie wird in das örtliche Versorgungsnetz von Molsheim eingespeist.

Mit seinen 200 km/h hat "das Biest", wie ihn Piochon nennt, aber nicht einmal die Hälfe seines Potenzials abgerufen. Das geht auch auf den umliegenden Landstraßen von Molsheim nicht. "Deshalb haben wir eine Partnerschaft mit dem Flughafen Colmar. Dort dürfen wir zwischen zwei Flügen Testfahrten durchführen", sagt Piochon, der seit 17 Jahren bei Bugatti arbeitet.

30 Minuten Zeit haben die Werksfahrer, um die Fahrzeuge mit bis zu 300 km/h über das Rollfeld zu jagen. Zweimal die Woche werden solche Touren unternommen. Zurück geht es dann bei höchstens 130 km/h "ganz gemütlich über die Autobahn, um den Motor abzukühlen", beschreibt Piochon die Prozedur.

Spätestens bei der Rückfahrt auf das Werksgelände wissen auch die Rehe, dass ein neuer Chiron bereit für die Auslieferung ist.

(csr)
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