Audi R8 V10 Wrroooaaarrr!

Der Audi R8 V10 ist ein Supersportler par excellence. Einmal Platz genommen - schon überkommt einen das Renngefühl. Unseren Autor Jörg Mehl erinnert der schnellste Serien-Audi an seinen Kindheitstraum, Markus Wasch erläutert die Fakten.

 Der mächtige Zehnzylinder-Motor des Audi R8 thront gut sichtbar unter einer Glasscheibe. Die Maschine leistet 540 PS und beschleunigt den Sportwagen in 3,5 Sekunden auf 100 Stundenkilometer.

Der mächtige Zehnzylinder-Motor des Audi R8 thront gut sichtbar unter einer Glasscheibe. Die Maschine leistet 540 PS und beschleunigt den Sportwagen in 3,5 Sekunden auf 100 Stundenkilometer.

Foto: Audi

Als Kind hatte ich einen Traum: Ich wollte so sein wie Michel Vaillant. Mochten die anderen auch Superman nacheifern oder über Fix und Foxi kichern, mir imponierte der heldenhafte Rennfahrer mit dem markanten Kinn und dem reinweißen Dress. Ein edler Ritter am Volant, der in harten Rennen Weltmeister wurde und ganz nebenbei üble Bösewichter ausbremste.

Wenn Michel das Gaspedal durchtrat für den finalen Spurt, mit diesem entschlossenen, siegesgewissen Blick, dann schien das ganze Comic-Heft zu vibrieren, und aus dem Bilderrahmen brüllte es in riesigen Lettern "Wrroooaaarrr!". Eine Rennmaschine mit Kult-Potenzial, die auch ordentlich brüllen kann, ist der Audi R8. Kaum aufs Gaspedal getippt - Vrrooooomm. Echter Sound, kein Comic. Michel hätte seinen Spaß ....

In 3,5 Sekunden sprintet der Mittelmotorsportwagen auf 100 km/h, 11,2 Sekunden benötigt er für Tempo 200, erst bei 320 km/h ist Schluss. Der 5,2-Liter-Direkteinspritzer mit 397 kW/540 PS stellt ein maximales Drehmoment von 540 Nm bei 6500 Umdrehungen pro Minute bereit. Diese Attribute machen den R8 (neben der Variante V10 plus mit 449 kW/610 PS) zum stärksten Serien-Audi aller Zeiten.

Das Renngefühl kommt schon beim Start. Der R8 gleitet durch die sieben Gänge, als sei's nur einer, er saugt sich förmlich an den Asphalt, der V10-Motor röhrt, als ginge es auf die letzte, die alles entscheidende Gerade. Selbst der heroische Michel würde jetzt auflachen vor Freude. Schade nur, dass ich auf der A52 unterwegs bin und nicht auf dem Nürburgring.

Denn die anderen Verkehrsteilnehmer rechnen offensichtlich nicht damit, dass der winzige Fleck in ihrem Rückspiegel innerhalb von Sekunden zu einem rasenden Boliden in vollster Fahrt heranwächst. Schon zuckelt ein Kleinwagen nach links, um mal eben doch noch den Lkw zu überholen, und ich lerne die Bremsanlage fast noch mehr zu bewundern als den unbändigen Vortrieb.

Die Bremsscheiben aus kohlefaserverstärkter Keramik bringen den R8 von Tempo 100 innerhalb von weniger als 33 Metern zum Stehen. Während der Fahrt ist ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe für die Kraftverteilung auf die Achsen zuständig. Die vier verschiedenen Fahrmodi beeinflussen neben dem Getriebe auch das Ansprechverhalten des Gaspedals, den Allradantrieb, die Klappen der Abgasanlage und das Lenkverhalten - von komfortabel bis extrem straff.

Ich stehe im Stau, der Motor schaltet sich automatisch ab. Es geht weiter, und kaum habe ich das Bremspedal losgelassen, springt der Zehnzylinder wieder an - mit einem heiseren "Vrooaaarg". Start-Stopp-Automatik halt. Ich fahre ein paar Meter, immer noch Stau, stopp, Stillstand, Vrooaaarg. Die Blicke der Mitstauenden rundherum changieren zwischen Amusement und unverhohlener Bewunderung. Ich zwinge den Impuls nieder, mit dem Gaspedal rumzuspielen.

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Foto: Mercedes-Benz

Der R8 strahlt schon im Stand Dynamik aus. Die kurze Haube mit den breiten Kotflügeln, den spitz zulaufenden LED-Scheinwerfern und den großen Lufteinlässen, dazu die stark abfallende Dachlinie des Coupés. Durch die Glasscheibe im Heck ist der Blick frei auf das Herz des Wagens: den mächtigen Motorblock. Ein Mittelmotor, optimal verteiltes Gewicht.

Der Stau löst sich auf. Plötzlich ist vor mir alles frei. Komm, Michel, die Zielgerade! Die Beschleunigung presst mich in den Sitz. Der Tacho steigt ratzfatz auf über 300 Sachen. Aber nur kurz. Excuse-moi, entschuldige, Michel, mir wird mulmig. Ist doch nicht jeder zum Rennfahrer geboren.

Der R8 ist äußerlich Sportwagen durch und durch. Der Innenraum ist dagegen auf Eleganz ausgelegt. Trotz Karbon-Elementen fallen vor allem die bequemen, elektrisch verstellbaren Sitze auf. Im Cockpit verstreut findet man blankpoliertes Aluminium, glänzend schwarzen Klavierlack und feines Leder. Sehr ansehnlich, aber nicht so typisch puristisch wie bei anderen Supersportlern. Das Lenkrad etwa wirkt überfrachtet: Bedienelemente für Freisprecheinrichtung, Navi, Menüführung, Fahrmodi, Auspuffanlage zusammen mit Startknopf und Schaltwippen sind zu viel.

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Foto: Hersteller

Wenn man eine so auffällige Rennsemmel am Straßenrand parkt, ist klar, dass das umgehend die härteste Gang im Viertel auf den Plan ruft. Drei Jungs, um die zehn, scharwenzeln lässig um den R8. Ein ganz Verwegener legt sich aufs Heck und drückt sich die Nase an der Glasscheibe überm Motor platt. Mit Kennerstimme verkündet er das Ergebnis seiner Inspektion: "Boah, Alter!"

Als ich mit der Fernbedienung die Wagentür aufpiepse, geben die drei Fersengeld, wetzen 20 Meter weiter und linsen um eine Häuserecke. Ich rolle los, und als ich auf Höhe der Jungs bin, lasse ich den V10 aufbrüllen: "Wrroooaaaarrr!". Im Rückspiegel sehe ich die drei hüpfen und springen und jubeln, als wäre Deutschland Europameister geworden. Ein Kindheitstraum ist geboren - jede Wette.

(RP)
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