Testfahrt Die Harley-Davidson kann auch leise

Einmal drumherum laufen - eigentlich nichts Ungewöhnliches zu erkennen. Zwei Räder, Sitzbank, Scheinwerfer, Blinker, Lenker. Auf den ersten Blick kein großer Unterschied zu einem gewöhnlichen Motorrad. Und doch steht unter dem Harley-Davidson-Zelt am Motorsport-Museum am Hockenheimring eine außergewöhnliche Maschine.

Harley-Davidson Electra Glide - eine Ikone hat Geburstag
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Die Amerikaner präsentieren ihr erstes Elektromotorrad: Project LiveWire, ein Konzeptbike Marke Roadster. "Ein Elektromotorrad hätten viele Biker anderen Herstellern zugetraut, aber nicht uns", sagt Frank Klumpp, Marketing-Direktor Deutschland von Harley-Davidson. Zumal Zweirad-Konkurrenten wie BMW, Honda und Suzuki bereits mit ihren Autos Erfahrungen mit Elektroantrieben gesammelt haben.

Werbewirksam kündigte die Traditionsmarke vor einiger Zeit an, in weltweiten Testfahrten herausfinden zu wollen: Braucht die Welt eine Elektro-Harley - und wenn ja, wie muss ein solches Bike dann aussehen? Im Juli 2014 startete das Experiment, natürlich in Milwaukee, dem Sitz von Harley. Mittlerweile ist die Tour in Europa angekommen. "Uns ist wichtig, dass das Aussehen, der Sound und das Gefühl auch bei der Elektro-Harley stimmen. Und wir wollen mit der Tour unser Image ändern." Das Elektrobike könnte neue Kundschaft bringen. Zumal die LiveWire sportlicher wirkt als eine typische Harley-Davidson-Maschine.

Wer Buell kennt, stellt starke Ähnlichkeiten mit der XB 12 fest. Buell war bis Ende 2009 ein Tochterunternehmen von Harley. Die sportlichen Maschinen kamen aber bei der traditionellen Harley-Kundschaft nicht an.

Wer sich das Elektro-Motorrad genau ansieht, stellt - anders als auf den ersten Blick - schon Unterschiede zu herkömmlichen Motorrädern fest. Links fehlen sowohl Kupplungs- als auch Schalthebel. Dort, wo sonst gut sichtbar ein großer V2-Twin-Motor thront, liegt verborgen hinter einer Plastikverkleidung die Batterie, darunter der Elektromotor - platziert in Längsrichtung. Der Antrieb, ein AC-Induktionsmotor, leistet 55 kW/75 PS, entwickelt bis zu 70 Nm Drehmoment und beschleunigt das 210 Kilogramm leichte Fahrzeug in vier Sekunden von null auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 148 km/h. Im Power-Modus reicht der Strom im Lithium-Ionen-Speicher für rund 60 Kilometer, im Range-Modus sind knapp 100 Kilometer als Reichweite im Display angegeben. In etwa dreieinhalb Stunden ist die Batterie wieder geladen. Soviel zur Technik.

Nun zur Praxis. Die technische Einweisung dauert nicht lange. Der Notschalter hat zwei Funktionen: Man schaltet die Energie ein und aus. Ist sie an, drückt man auf den Starterknopf. Ungewohnt: nichts vibriert, nichts blubbert. Stattdessen ein Geräusch, als wenn der Kühlschrank anspringt. An der E-Harley setzt das Starten Wasser- und Ölpumpe in Gang. Das Wasser umspült das Steuergerät, das das 300-Volt-Hochspannungsnetz regelt. Das Öl kühlt und schmiert den Motor, von dem aber nichts zu hören ist. Wie bei einem Automatikfahrzeug muss man nur Gas geben, und es geht los. Ein Elektromotor braucht bauartbedingt keine Drehzahl, um Drehmoment zu haben. Das volle Drehmoment gibt es schon aus dem Stand heraus.

Harley-Davidson und die Wasserkühlung
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Harley-Davidson und die Wasserkühlung

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Ist der Gashahn voll aufgedreht, hechtet die elektrische Harley los, als wären alle Superbikes der Welt hinter ihr her. Die 199 PS starke BMW S 1000 RR ist nur geringfügig schneller. Ein reinrassiges Sportmotorrad mit einer Harley zu vergleichen, das wäre früher gar nicht möglich gewesen. Heute sind die Harley-Ingenieure stolz auf ihr schnelles, leises, sauberes Motorrad. Drei Adjektive, die bislang in ihrem Wortschatz nicht vorkamen.

In Kurvenfahrten ist auf dem Elektro-Motorrad kein Unterschied zu konventionellen Bikes feststellbar. Laut Harley entwickelt das Fahrzeug einen Klang, der einem startenden Düsenjet ähnelt. Der Sound kommt nicht vom Motor, sondern entsteht durch das Zahnflankenspiel zwischen Kegel- und Tellerrad. Der längs eingebaute Elektromotor endet im Kegelrad. Von dort wird die Kraft über das Tellerrad im rechten Winkel auf den Riemenantrieb umgelenkt. Dadurch klingt die Harley eher wie ein Hochdrehzahl-Staubsauger, nicht wie ein Düsenjet.

(RP)
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