Testbericht Möve Bikes Franklin - Fahrrad mit merkwürdigem Antrieb

Düsseldorf · Ein eieriges Kettenblatt und exzentrisch montierte Tretkurbeln – kann das funktionieren? Nach einer Gewöhnungsphase sogar sehr gut. Doch für den kleinen Drehmoment-Kick muss man ziemlich tief in die Tasche greifen.

Möve Bikes Franklin - Fahrrad mit unrundem Antrieb
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Möve Bikes Franklin - Fahrrad mit unrundem Antrieb

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Foto: Max Friedhoff/SP-X

Ein eieriges Kettenblatt und exzentrisch montierte Tretkurbeln — kann das funktionieren? Nach einer Gewöhnungsphase sogar sehr gut. Doch für den kleinen Drehmoment-Kick muss man ziemlich tief in die Tasche greifen.

Ist Ihnen 08/15 zu fad? Suchen Sie das Außergewöhnliche, etwas, das der individuellen Persönlichkeit mehr Ausdruck verleiht? Dann ist das Franklin von Möve Bikes vielleicht das richtige Fahrrad für Sie. Nebst feinster Verarbeitung, hochwertigen Komponenten und einem schicken Styling bietet es als Alleinstellungsmerkmal den kuriosen wie eindrucksvollen Cyfly-Antrieb.

Zugegeben: Dieser Antrieb mag etwas over-engineered, also übertrieben aufwendig, und teuer sein, doch andererseits bietet er die Faszination einer bewusst anderen, komplexen und handwerklich meisterhaft inszenierten Technik. Vergleichbar ist Cyfly etwa mit dem Wankelmotor im Auto. Mit ihm fährt man nicht unbedingt besser, er kann seinen Besitzer aber ungemein stolz machen, weil er besonders und irgendwie auch genial ist.

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Foto: Bafang

Wie so oft im Leben, hat diese Exklusivität ihren Preis. Im Fall des Franklin, das erste Rad auf dem deutschen Markt mit Cyfly-Technik, geht dieser erst bei rund 3300 Euro los. Dann fehlen allerdings noch so praktische Dinge wie Licht oder Schutzbleche. Entsprechend heißt diese Version Pure.

Wer eine alltagstaugliche Variante und dazu noch ein paar feinere Komponenten wünscht, kann den Preis wie bei unserem vollausgestatteten Testexemplar auf mehr als 4600 Euro treiben. In dieser Pro genannten Variante vereint das Franklin gleich mehrere ästhetische Höhepunkte und technische Leckerbissen. Dazu gehören Komponenten wie der mit sattem Klonk einklappende Pletscher-Seitenständer, die elegante Mini-Klingel von Knog, verbindlich zupackende Hydraulikbremsen oder die hochwertige Leuchtanlage mit XT-Nabendynamo und 80-Lux-LED-Scheinwerfer. Soweit, so StVO-konform.

Krönender Höhepunkt der optionalen Ausstattung ist die eindrucksvoll arbeitende Rohloff-Nabenschaltung mit ihren 14 Übersetzungsstufen. Und schließlich zeichnet sich das Franklin noch durch seinen sauber gearbeiteten Alurahmen aus, bei dem Schweißnähte als solche nicht erkennbar sind. Gegen rund 170 Euro Aufpreis veredelt Möve ihn zusätzlich mit einem speziellen Mattlack, der aufwändig in mehreren Stufen aufgetragen wird.

Fast etwas unscheinbar wirkt in diesem auserlesenen Ensemble das eigentliche Herzstück, das Kunstwerk der Mechanik: der Cyfly-Antrieb. Tretlager und -kurbel sowie das große vordere Kettenblatt sind übrigens in Rahmenfarbe lackiert. Wählen können Kunden lediglich zwischen Schwarz und Weiß.

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Foto: Bimoz

Wer einen genauen Blick auf den Antrieb wirft, wird sich vor allem über das ovale beziehungsweise seltsam abgerundete Kettenblatt wundern. Zudem sind die Wege der Kurbeln zur Tretlagerwelle auf kuriose Weise verwinkelt und umgelenkt, statt direkt an ihr befestigt zu sein. Dieses Mehrgelenkgetriebe wurde aus 100 Teilen zusammengesetzt. Kann das überhaupt funktionieren?

Im ersten Moment jedenfalls schlechter als man experimentierfreudig-wohlwollend erwarten möchte. Die Vielzahl an Hebeln und Planeten dient dazu, beim Treten eine höhere Pedalkraft zu erzeugen. Das gelingt, indem sich durch das Umlenksystem in der Drei-Uhr-Stellung die Pedalkurbel verlängert, was für eine höhere Drehmomentausbeute sorgt.

Laut Möve Bikes fällt sie um rund ein Drittel höher aus als bei herkömmlichen Systemen. Auf dem Weg nach unten verkürzt sich übrigens die Kurbel wieder. Das dadurch unrunde Trittgefühl soll mit dem ovalen Kettenblatt ausgeglichen werden.

Das scheint nicht ganz zu funktionieren, weshalb man sich auf den ersten Kilometern angesichts der leicht eierigen Beinarbeit wundert. Erstaunlich aber ist, dass dies nicht so bleibt. Im Gegenteil. Nach einigen Stunden, vielleicht auch erst nach Tagen erlebt man diesen eigentlich ungewohnten Bewegungsablauf als normal. Phasenweise meint man sogar im Vergleich zu konventionellen Antrieben Vorteile zu verspüren. Das ist vor allem dem Drehmomentgewinn aufgrund der größeren Hebelwirkung zu verdanken.

Beim Anfahren, an Steigungen oder beim harten Beschleunigen scheint sich das tatsächlich positiv aufs Tempo auszuwirken. Der kleine Extrakick ist nicht vergleichbar mit dem Schub, den Pedelecs bereitstellen können. Doch zum Beispiel bei schneller Fahrt, so um 30 km/h, fühlt es sich tatsächlich so an, als ließe sich das hohe Tempo dank Cyfly leichter halten.

In der Summe dürfte die Entlastung von der Muskelarbeit allerdings eher gering sein. Nach einem gut 50 Kilometer langen Ausflug fühlten sich jedenfalls die Oberschenkel ähnlich angestrengt an wie nach jeder anderen Radtour mit per Muskelkraft angetriebenen Rädern. Insofern kann man sich deshalb zurecht die Frage stellen, ob man das Cyfly-System denn nun wirklich braucht.

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Foto: SP-X/Max Friedhoff

Jenseits der Frage von Sinn, Zweck und Nutzen der etwas speziellen Antriebstechnik ist das Möve Franklin jedenfalls ein rundum gelungenes Fahrrad. Trotz eines extrabreiten Lenkers nimmt man eine angenehme und auch für längere Touren komfortable Position ein.

Das Fahrrad fährt sich zudem eindrucksvoll stabil und begeistert mit einem präzisen Handling. Nichts klappert, die Verarbeitung ist top. Federelemente gibt es keine, doch immerhin können die großvolumigen Reifen in bescheidenem Umfang auch ein paar Unebenheiten egalisieren.

Und irgendwie vermittelt der Cyfly-Flow zudem einen besonderen Spaß bei Sprints oder an Steigungen, wenn man sich dran gewöhnt hat. Einerseits. Andererseits gibt es auch viele andere Fahrräder auf einem vergleichbaren Ausstattungs- und Qualitätsniveau, für die man nicht ganz so tief in die Tasche greifen muss und die sich auch gut fahren.

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Foto: www.pd-f.de / biketec

Letztlich mag die Cyfly-Technik den finanziellen Mehraufwand vor allem rechtfertigen, weil sie so anders ist als alles sonst am Markt Verfügbare. Wer darauf abfährt, sollte vielleicht mal eine Probefahrt vereinbaren. Mittlerweile kann Möve Bikes auf 40 offizielle Händler in Deutschland verweisen.

(csr)
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