Für wen sie sich lohnen Siegeszug der Scheibenbremsen für Fahrräder

Düsseldorf · Die Profis bei der Tour de France setzen zwar unvermindert auf Felgenbremsen, dennoch scheint der Siegeszug der Scheibenbremse im Fahrradsektor unaufhaltsam zu sein. Die cleveren Stopper bieten einfach zu viele handfeste Vorteile. Wenngleich sie längst nicht für jeden Anwendungsfall Scheibenbremsen ein Muss sind.

Scheibenbremsen für Fahrräder - eine ziemlich runde Sache
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Scheibenbremsen für Fahrräder - eine ziemlich runde Sache

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Foto: www.nicolai.net | Hoshi Yoshida/pd-f

Lange Zeit gab es für Fahrradkäufer etliche gute Gründe, die klassische Felgenbremse den aufkommenden Scheibenbremsen vorzuziehen. Doch Scheibenbremssysteme für Fahrräder haben sich im Lauf der letzten Jahre deutlich verbessert.

Sie sind verzögerungsstark, zuverlässig, ausgereift und massentauglich. Ein großes Plus gerade der hydraulischen Scheibenstopper ist ihre schiere Bremskraft, die jedem anderen System überlegen ist.

Noch wichtiger ist allerdings ihre bessere Dosierbarkeit. Vor allem eine Bremsflüssigkeit auf Glykol-Basis oder Mineralöl als Übertragungsmedium erlaubt hohe Brems- bei geringer Handkraft, was ein punktgenaueres Gefühl für ein feineres Bremsen erlaubt.

Die richtige Luftpumpe fürs Fahrrad
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Foto: www.pd-f.de / Holger Heinemann

Ihre zupackende Performance können Scheibenbremsen zudem unabhängig von den Witterungsbedingungen auf gleichbleibend hohem Niveau garantieren. "Das Nassbremsverhalten von Felgenbremsen ist schlechter als bei trockenen Bedingungen, das gilt besonders für Carbonfelgen", erklärt Heiko Böhle vom Fahrradhersteller Felt.

Die Entkoppelung der Bremse von der Felge verhindert zudem den Felgenverschleiß durch Bremseinflüsse, was den Geldbeutel schonen kann und das Risiko versagender Bremsen bei Viel- und Schlechtwetterfahrern mindert. Dies sind auch die Gründe, warum sich die Scheibenbremse insbesondere bei Mountainbikes durchsetzen konnte. Vor allem bei Nässe und Dreck ist die Felgenbremse unterlegen

Auch bei Liege- und Lastenrädern ist die Scheibenbremse mittlerweile ein Muss. Alexander Kraft vom Liegeradhersteller HP Velotechnik setzt voll auf moderne Disc-Stopper. "Liegedreiräder werden stark als technisch hochwertige und komplexe Fahrzeuge wahrgenommen; etwas anderes als eine Bremsanlage auf dem Stand der Technik ist da kaum denkbar", erklärt er.

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Foto: Haveltec

Dazu käme ein weiterer Faktor: "Gerade am Liege-Trike ist es durch den tiefen Schwerpunkt und die Gewichtsverteilung möglich, die hohe Bremskraft der Discs optimal auf die Straße zu bringen." Dasselbe gelte für Lastenräder, sekundiert Heiko Müller vom E-Bike-Anbieter Riese & Müller. "Bei unserem Cargobike ,Load‘ machen hohe Zuladung und kräftiger Unterstützungsmotor eine Scheibenbremsanlage ohnehin zwingend notwendig."

Beim Rennrad hat es die Scheibenbremse bislang hingegen noch schwer, vor allem, weil im Profi-Bereich weiterhin die Felgenbremse dominiert. Doch was für die Profis gilt, hat für den Hobbyfahrer weniger Relevanz. So machen die Scheibenbremsen kaum 400 Gramm Mehrgewicht aus, die durch Faktoren wie Dosierbarkeit und Komfort mehr als wettgemacht werden.

Gut möglich, dass ein paar jüngere Entwicklungen der Scheibenbremse beim Rennrad dennoch zum endgültigen Durchbruch verhelfen. So gibt es beim Rennrad den Trend hin zu breiteren Reifen. "28 ist das neue 23", wagt Doris Klytta vom Reifenhersteller Schwalbe einen Blick in die Zukunft und meint damit, dass bis zu 28 Millimeter breite Reifen der neue Standard werden. Breite Rennradreifen erlauben es, die Bremskräfte besser auf die Straße zu bringen.

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Foto: SP-X

Zudem erlauben breite Reifen das Fahren auch auf schlechten Neben- und Passstraßen sowie Forstwegen. "Diese Trendspielart des Rennradfahrens heißt Gravel-Racer und rollt faktisch generell mit Scheibenbremsen", erläutert Stefan Scheitz, Marketingleiter bei Sport Import, und ergänzt: "Eine Rennrad-Felgenbremse passt da schlicht nicht." Gerade der Gravel-Racer-Trend könnte dazu beitragen, dass sich am Ende die Discbrake auch am Rennrad als Standardausstattung durchsetzt.

Wer sich für Scheibenbremsen entscheidet, entscheidet sich allerdings auch für eine kompliziertere Technik. Bremsen sind ein besonders sicherheitsrelevanter Bereich des Fahrrades, der von kompetenter Hand installiert, gewartet und repariert werden sollte.

Auch Hobbyschrauber, die einfache Felgenbremsen noch selbst in Schuss halten, benötigen bei Scheibenbremsen spezielles Wissen und Werkzeug. Elmar Keineke vom Komponenten- und Bremsenhersteller Srambestätigt: "An einer hydraulischen Bremsanlage zu arbeiten, ist komplexer und damit nur etwas für erfahrene Profis."

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Für Unerfahrene stellt sich zudem die Frage, worauf man beim Kauf achten sollte, denn "die" Scheibenbremse fürs Fahrrad gibt es nicht. Unterschiedliche Scheibengrößen und verschiedene Montagestandards sorgen für eine große Variationsbandbreite.

"Spielt das Radgewicht eine Rolle oder sprechen wir von leichteren Fahrern oder flachem Gelände, reicht meist eine Scheibe mit 16 Zentimetern Durchmesser", führt Stoyhe fürs Mountainbike aus, "wird das Gelände steiler, die Abfahrten länger oder der Fahrer schwerer, wachsen die Durchmesser bis 20 Zentimeter." Rennradfahrer greifen übrigens auf Scheiben mit 14 bis 16 Zentimeter Durchmesser zurück.

Als Faustformel lässt sich über alle Radgattungen in jedem Fall festhalten: Je sportiver der Fahrstil, je höher das Systemgewicht oder je anspruchsvoller die Topographie, desto empfehlenswerter ist eine Scheibenbremsanlage.

Bei Touren-Bikes und Alltagsrädern kommen aber auch heute noch oft Felgenbremsen zum Einsatz — mechanische V-Brakes ebenso wie hydraulische Systeme. "Das geschieht teils aus Kostengründen, teils, weil die Bremskraft für den Einsatzzweck der Fahrräder einfach ausreicht", erklärt Heiko Müller.

"Nicht vergessen darf man, dass die Beläge einer Scheibenbremse eingebremst und bisweilen freigebremst werden müssen", gibt er zudem zu bedenken. "Wer das nicht regelmäßig sicherstellen kann, der sollte sich am Trekking- oder City-Rad für Felgenbremsen entscheiden."

(SP-X)
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