Die Neuheiten der Business-Klasse

SUVs sind sexy, Kombis sind praktisch und Vans ideal für die Familie. Doch wenn es um den Status geht, ist die Limousine noch immer unschlagbar. Das Stufenheck ist vor allem bei Firmenfahrern und Flottenkunden beliebt.

Sie ist die klassischste Form des Automobilbaus und trotzt offenbar allen Trends. Denn auch wenn der Boom von SUVs und Crossover-Modellen unvermindert anhält, läuft auch die Limousine unbeirrt weiter. Weil sie für Status steht und zugleich für Vernunft und Verlässlichkeit, ist sie vor allem bei eher konservativen Zeitgenossen, bei Firmenfahrern und Flottenkunden gefragt, erläutert Design-Professor Lutz Fügener. In diesem Jahr ist der Stufenschnitt dabei offenbar besonders angesagt. Denn gerade für die Business-Klasse bereiten die Hersteller gerade den Start zahlreicher neuer Limousinen vor.

Den Anfang macht derzeit die neue Mercedes E-Klasse. Mittlerweile bereits in der zehnten Generation, will sie ihren Stammplatz in den Garagen des gehobene Managements zu Preisen ab 45.303 Euro vor allem mit drei Eigenschaften verteidigen: Einem rekordverdächtigen Normverbrauch von bestenfalls 3,9 Litern (CO2-Ausstoß 102 g/km), einem Höchstmaß an Vernetzung und Komfort im neuartigen Cockpit und einem großen Schritt hin zum autonomen Fahren, fasst Chefingenieur Michael Kelz die Marschrichtung zusammen.

Zwar sieht Kelz die Limousine als neuen Leitstern in der Business-Klasse, doch die unmittelbare Konkurrenz schläft nicht. BMW bereitet für das Jahresende nach Angaben eines Firmensprechers das Debüt des neuen 5ers vor. Bei Audi läuft nach Informationen aus Ingolstadt die Entwicklung des nächsten A6 auf Hochtouren: Im zweiten Halbjahr 2017, spätestens Anfang 2018 soll er auf dem Markt sein.

Bis dahin mangelt es nicht an neuen Alternativen. So meldet sich in diesem Sommer zum Beispiel auch Volvo auf den Firmenparkplätzen der Republik zurück und schickt gegen E-Klasse & Co. für mindestens 42.750 Euro den neuen S90 ins Rennen. Rund fünf Meter lang, mit einem völlig neuen Design und einem unkonventionellen Innenleben, will auch er vor allem durch maximale Unterstützung bis hin zum semi-autonomen Fahren punkten, sagt Firmenchef Hakan Samuelsson. Er stellt außerdem eine Motorenpalette in Auswahl, die ganz anders sein soll als bei der Konkurrenz. Denn statt V6- oder gar V8-Motoren bietet Volvo ausschließlich Vierzylinder-Triebwerke an und befriedigt den Sportsgeist stattdessen mit einem zudem auch noch sehr sparsamen Plug-in-Modell mit 299 kW/407 PS und einem Normverbrauch von 2,1 Litern (CO2-Ausstoß 49 g/km).

Ebenfalls neuen Schwung in dieser Liga holt Cadillac mit dem CT6, der die Modellpalette nach oben abrundet und im zweiten Halbjahr in Europa erwartet wird. Die Limousine misst nach Angaben des Herstellers genau wie seine Konkurrenten rund fünf Meter, setzt auf radikalen Leichtbau, speckt gegenüber dem Vorgänger mehrere Zentner ab und startet daheim in den USA mit Vier- und Sechszylinder-Motoren bei 53.495 Dollar. Bis der Wagen über den Atlantik ist, dürften daraus nach aktuellen Schätzungen mindestens 60.000, eher sogar 70.000 Euro werden.

Wem diese Importmodelle zu teuer sind, für den lohnt sich womöglich ein Blick nach Frankreich. Denn dort hält zumindest Renault die große Limousine am Leben und nimmt jetzt mit dem 4,85 Meter langen Talisman einen neuen Anlauf in der gehobenen Mittelklasse. Zwar bieten die Franzosen dafür Luxus-Extras vom Massagesitz bis zur Allradlenkung, halten aber unter der Haube Maß: Laut Pressesprecher Thomas May-Englert gibt es das Flaggschiff deshalb nur mit Vierzylindern, deren stärkste Version ein 1,6-Liter-Turbo mit 147 kW/200 PS ist. Dafür allerdings sind die Preise vergleichsweise bürgerlich: Los geht es bei 27.950 Euro. Die teuerste Variante steht mit 41.000 Euro in der Liste.

Dass die Limousine weltweit weiterhin so hoch im Kurs steht, dass es für andere Märkte auch noch Luxus-Neuheiten wie den aus der Vergangenheit geretteten Lincoln Continental oder das Hyundai-Flaggschiff G90 unter der neuen Premium-Marke Genesis gibt, und dass diese Fahrzeuge allen SUV-Trends trotzen, liegt für Professor Fügener nicht zuletzt an der automobilen Sozialisation der aktuellen Käufer. "Die sind alle noch mit der Limousine als beherrschende Karosserieform groß geworden", sagt der Designexperte und erinnert an krakelige Kindheitszeichnungen, die seit Jahr und Tag ein Stufenheck zeigen: "In der Regel behält man diese Prägungen und die daraus entstehenden Wünsche das ganze Leben lang."

Allerdings mag Fügener keine Hand dafür ins Feuer legen, dass dieser Trend ewig hält. Denn erstens beobachtet er immer mehr ältere Kunden, die sich für den bequemen Einstieg in ein SUV erwärmen, und zweitens eine Trendwende beim Nachwuchs: "Wenn heute kleine Kinder Autos zeichnen, sehen die schon ganz anders aus", sagt er. "Gut möglich, dass sie dann später auch andere Autos kaufen." Bei aller Liebe zur Limousine vertrauen die Hersteller deshalb auch in der Business-Klasse längst nicht mehr allein auf die Strahlkraft des Stufenhecks: Egal ob E-Klasse, 5er, A6, S90 oder Talisman - zumindest die Europäer stellen ihren Viertürer deshalb nur wenige Monate nach dem Start längst Kombis und oft auch Coupés zur Seite.

(RP)
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