Gute Planung ist wichtig Mit dem Elektroauto in den Urlaub - klappt das?

Düsseldorf · Mit dem eigenen Auto in den Urlaub zu fahren, ist normal. Handelt es sich jedoch um ein Elektroauto, wird die Sache schon deutlich komplizierter. Wie man trotzdem bis nach Marokko kommt - und welche Hürden es gibt.

Mit dem Elektroauto in den Urlaub - ganz schön kompliziert
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Foto: Tui/dpa-tmn

Kurt Krautgartner ist mit seinem Elektroauto von Österreich nach Marokko gefahren. Und wieder zurück. Drei Wochen war der Österreicher unterwegs. Mit der Vorbereitung hat er bereits vier Wochen vor der Abfahrt begonnen. Sein Fazit: "Mit dem Elektroauto reisen heißt planen."

Die Route ist im Vergleich zur Fahrt mit einem Verbrenner durchaus kompliziert. Entscheidend sind die Reichweite des Elektroautos und das Netz an Ladestationen. "Mitteleuropa ist gut ausgebaut", sagt Krautgartner. In Nordeuropa hebt er das Angebot in Norwegen hervor. Ganz anders jedoch in Südeuropa: "Südlich von Barcelona wird es schwierig." Und auch Italien sei "Ladewüste".

So hat Krautgartner etwa keine Probleme, mit seinem E-Auto aus seinem Heimatort Gschwandt nach Genua zu kommen. Nach Venedig findet er wegen mangelnder Ladeabdeckung aber keinen Weg. So muss jede Strecke - egal in welchem Land - individuell recherchiert werden. Das kostet Zeit und Nerven. Doch es tut sich etwas in Europa.

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Foto: VW

Die Schweizer zum Beispiel haben 2017 die 1600 Kilometer lange Panoramastraße Grand Tour of Switzerland durch 200 Ladestationen vollständig mit einem Elektroauto befahrbar gemacht. Ein Großteil der Schweiz ist nun allein durch dieses Projekt erschlossen.

Im europäischen Vergleich haben Norwegen und die Niederlande die Nase vorne. In beiden Ländern kommen auf 100.000 Einwohner mehr als 180 öffentliche Ladestationen. Dagegen wirken die 25 Ladestationen je 100.000 Einwohner in Deutschland eher mickrig. Für die etwa 50.000 bis September 2017 in Deutschland zugelassenen Elektrofahrzeuge mag die Infrastruktur ausreichen. Jedoch fehlt es an Schnell-Ladestationen.

Für Reisende haben diese Ladestationen eine hohe Bedeutung. "Es bedarf nicht nur E-Autos mit guter Reichweite, sondern auch eines umfangreichen Schnell-Ladenetzes mit kurzen Ladezeiten", sagt Nicole Sohnrey, die bei Tui das Thema Autoreisen verantwortet.

An einer Schnell-Ladestation werden die Batterien der E-Autos in 30 bis 40 Minuten fast vollständig aufgeladen. Der Ladestopp auf dem Weg in den Urlaub lässt sich so mit einer Pause kombinieren. Auch wenn die Zeit im Vergleich zum konventionellen Tanken von Benzin und Diesel lang ist, gilt sie unter E-Auto-Fahrern als kurz.

Für die gleiche Lademenge und eine Reichweite von etwa 200 Kilometern werden an der heimischen Steckdose mehr als zehn Stunden benötigt. Das Laden zu Hause gilt als günstig. Mit durchschnittlich 29 Cent je Kilowattstunde kostet eine vollständige Ladung unter zehn Euro. An einer Schnell-Ladestation kann in Deutschland schonmal der doppelte Preis fällig werden.

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Foto: BMW

Wird viel an Schnell-Ladestationen geladen, zahlen Urlauber den gleichen Treibstoffpreis wie mit einem sparsamen Diesel-Fahrzeug. Einen Preisvorteil hat das Elektroauto im Betrieb dann nicht mehr.

"Die Mehrzahl der Elektroauto-Besitzer lädt ihre Wagen zu Hause an der Steckdose", sagt Sohnrey. Im Alltag ist das praktisch. Die verbrauchte Energie des Tages kann über Nacht nachgeladen werden. Ohne Wartezeit. Auf Reisen will jedoch eine lange Strecke am Stück zurückgelegt werden. Ladestopps sind dann nervig.

"Der normale Reisende will sich nicht mit der Planung auseinandersetzen und halten, wenn er laden, sondern nur wenn er auf Toilette muss oder Hunger hat", sagt auch Krautgartner. Die Frage ist: Wer reist dann so? "Auf weiteren Strecken, wenn man mehrmals zwischenladen muss, muss man schon ein Freak sein."

Reisende mit E-Auto müssen sich außerdem mit den Ladestationen auseinandersetzen. Viele Anbieter fordern eine Registrierung, oft sogar noch Wochen vor der Reise. Das dient dazu, ein Benutzerkonto anlegen zu können und Ladekarten zu versenden.

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Foto: Nissan

Ist dies erledigt, bedeutet das nicht, dass an der Ladestation alles reibungslos funktioniert. Die Lader können belegt oder defekt sein. Oder die Verbindung zum Auto wird nicht hergestellt.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) empfiehlt Reisenden, lieber mit der Bahn in den Urlaub zu fahren. "Natürlich kann man auch mit dem Elektroauto in die Alpen fahren, jedoch ist man dann viel länger unterwegs", sagt Gerd Lottsiepen, Verkehrspolitischer Sprecher beim VCD. Sein Tipp: ein Elektroauto am Urlaubsort leihen.

Modellprojekte gibt es bereits, zum Beispiel im autofreien Bergdorf Werfenweng im Pongau im Salzburger Land. Wer dort mit der Bahn anreist oder vor Ort seinen Autoschlüssel abgibt, kann kostenfrei elektrische Fahrzeuge vom E-Bike bis zum E-Auto mieten.

Ein Elektroauto für die Urlaubsfahrt zu mieten, ist dagegen schwierig. Die großen Autovermieter bieten E-Autos gar nicht oder nur auf individuelle Anfrage an. In Deutschland etablieren sich aber derzeit kleinere Autovermietungen, die sich auf E-Fahrzeuge spezialisiert haben und den aktuell geringen Bedarf decken.

Der große Elektroauto-Boom blieb bisher aus. Das Ziel der Bundesregierung, eine Million Elektroautos bis 2020 auf Deutschlands Straßen zu bekommen, wird sehr wahrscheinlich verfehlt. Krautgartner hofft trotzdem, in fünf Jahren kein Freak mehr zu sein.

(csr)
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