Düsseldorf Wiederaufbau Syriens schon jetzt im Blick

Düsseldorf · Im Industrie-Club Düsseldorf diskutieren Experten über den Umgang mit bedrohten Kulturgütern.

Mehr als 220.000 Menschen sind laut der Vereinten Nationen (UN) in Syriens Krieg gestorben, 11,6 Millionen Syrer sind auf der Flucht. Wie lässt sich angesichts dieses humanitären Leids von Kulturgütern reden, von Ausgrabungsstätten, die bedroht sind, als nächstes von Dschihadisten gesprengt zu werden? "Gewalt gegen Kulturgüter soll die kulturelle Identität von Menschen auslöschen", sagt Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts in Berlin. Daher sei es zynisch, Tote gegen Steine auszuspielen. Dschihadisten inszenierten ihre Zerstörungs-Aktionen ja gerade, weil sie nicht "nur Steine" treffen, sondern das Gedächtnis von Kulturen, ihre Geschichte. Und weil sich mit der Zerstörung von Jahrtausende alter Kunst Allmacht inszenieren lässt. Auch Hans-Dietrich Winkhaus, Präsident des Verwaltungsrats der Hilfsorganisation Care Deutschland-Luxemburg sieht in akuter humanitärer Hilfe und Unterstützung beim Schutz von Kulturgütern keinen Widerspruch. Kultur sei ein Grundbedürfnis des Menschen, und Steine aus bedeutenden Ausgrabungsstätten wiesen über die Existenz des Einzelnen hinaus.

Was ist also zu tun, wenn in Syrien gezielte Terrorakte und die Kollateralschäden eines Krieges Kulturstätten bedrohen? Oder wenn in Nepal ein Erdbeben gewaltige Tempelanlagen ausradiert? Im Falle von Naturkatastrophen ist ein nachhaltiger Wiederaufbau entscheidend. So hat etwa die Gerda-Henkel-Stiftung gerade bekanntgegeben, dass sie zusammen mit dem Auswärtigen Amt beim Wiederaufbau historischer Gebäude in Nepal aktiv werden wird. Westliches Wissen um erdbebensichere Bauweise soll dabei mit den Fertigkeiten von Handwerkern vor Ort zusammenkommen; so soll der kulturelle Schatz Nepals für die Zukunft gesichert werden.

In Krisenregionen ist die Lage komplexer, denn erst müssen die politischen Voraussetzungen geschaffen werden, um mit dem Wiederaufbau beginnen zu können. Wie mühsam das ist, wenn die Parteien ihre Sicht auf einen Konflikt für die absolute Wahrheit halten, beschrieb Andreas Görgen, Leiter der Kultur- und Kommunikationsabteilung des Auswärtigen Amts, bei einer Diskussionsrunde im Industrie-Club Düsseldorf. Geleitet wurde sie vom Chefkorrespondenten der Rheinischen Post, Matthias Beermann. Während die Diplomaten um Frieden ringen, beginnen Archäologen aber schon mit der Vorbereitung der Stunde Null. So arbeitet etwa das Deutsche Archäologische Institut im Fall Syrien daran, Archivmaterialien zu digitalisieren, bindet geflohene Wissenschaftler aus Syrien ein und unterstützt Archäologen, die vor Ort ausharren und Kulturgut in Sicherheit bringen. Da kann es auch mal um einfache Dinge gehen wie Tipps zum Vakuumverschweißen mit Apparaten aus dem Fleischhandel.

Auch über den Sinn politischer Vorhaben wie Kultur-Blauhelme der UN oder ein Asylrecht für Kulturgüter wurde in Düsseldorf diskutiert. Die Losung für all diese Ansätze lieferte Archäologin Friederike Fless: "Niemals aufgeben."

(dok)
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