Wimmelbilderbuch Wie der Dom nach Köln kam

Der Bogen spannt sich von den Römern bis zum Kirchenfenster von Gerhard Richter: Ein Wimmelbilderbuch für Kinder und Erwachsene erzählt leichtfüßig, wie es dazu kam, dass in Köln einer der berühmtesten Dome gebaut wurde.

Hand aufs Herz: Wer kann auf Anhieb erklären, warum in Köln ein Dom steht? Mit den alten Römern hat das nichts zu tun - oder doch? Und warum dauerte es so lange, bis der Dom vollendet war? Als Rheinländer müsste man diese Fragen aus dem Effeff beantworten können. Schließlich ist jeder x-mal am Dom vorbeigefahren. Bei gutem Wetter sieht man seine Türme von Bonn und Leverkusen aus. Jeder kennt ihn, aber kaum einer weiß Verlässliches über ihn zu sagen.

Rechtzeitig zum Beginn der dunklen, besinnlichen Jahreszeit hat der Kölner Greven-Verlag jetzt ein Wimmelbilderbuch herausgebracht, um das sich die Familie wie einst ums Lagerfeuer versammeln kann: "Wie der Dom nach Köln kam", ein farbig illustrierter, querformatiger Band, der die Schöße zweier schau- und (vor-)lesegieriger Menschen bedeckt und beiden die Augen öffnet für das Leben der Kölner in alten Zeiten und das unglaubliche Baudenkmal, das sie der Nachwelt hinterlassen haben.

Wenn man den seitenzahlenlosen Band mit seinen anheimelnd kindlich getönten Panorama- und Detailbildern durchblättert, beantworten sich die Fragen rund um den Dom fast von selbst. Colonia gehörte um das Jahr 300 zu den größten Städten in Germanien, war ein bedeutender Militärstützpunkt und wichtiges Handelszentrum im Römischen Reich. Mehrere Religionen bestanden nebeneinander. Nach dem Zusammenbruch des riesigen Reiches wurde Köln durch die neue politische Bedeutung seiner Kirchenfürsten zu einer der wichtigsten Städte der damaligen Welt, zum "heiligen Köln". Erzbischof Anno war ein solcher Mann. Rainald von Dassel, einer seiner Nachfolger, brachte im 12. Jahrhundert die Reliquien der Heiligen Drei Könige in die Stadt, die ihm Kaiser Friedrich Barbarossa geschenkt hatte. In Köln legte man diese Reliquien in einen goldenen Sarg und beschloss, drumherum eine Kathedrale zu bauen. Und so kam der Dom nach Köln.

Der Schrein mit den Gebeinen von Caspar, Melchior und Balthasar, der Dom und seine Umgebung - alles ist in dem Wimmelbuch abgebildet, nicht in Fotografien, sondern durchweg in farbigen Zeichnungen. Man kann zuschauen, wie die Steinmetze rings um das entstehende Gotteshaus aus Felsblöcken Quader hauen, wie Ochsenfuhrwerke vorüberrattern und ein Hund Würste aus einem Korb stibitzt, den eine Frau durch die Stadt spazieren trägt.

Manch verbreitete Anekdote über den Dombau ist falsch, aber so schön, dass der Bildband sie unter ausdrücklichem Hinweis auf ihre Lügenhaftigkeit dennoch erzählt. Zum Beispiel die Geschichte, dass Dombaumeister Gerhard im Mittelalter eine Wette mit dem Teufel verloren habe, deswegen vom Baugerüst gestürzt und gestorben sei, nachdem er am Dom zu dessen Schutz Monster und Dämonen hatte anbringen lassen.

Die frühere Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner und ihr Mitautor Johannes Schröer vom Domradio wissen: Die Geschichte von Wette und Tod ist ein Märchen, lässt sich aber erklären. Denn der Baumeister sei so begabt gewesen, dass viele meinten, er müsse mit dem Teufel im Bund stehen. Nach 250 Jahren hatte man die Arbeit am Dom 1530 eingestellt. Es fehlte an Geld und Interesse. Nur die Ausbesserungsarbeiten wurden - wie die Illustration eines im Holzlift schwebenden Arbeiters veranschaulicht - gewissenhaft fortgesetzt: Es sollte niemand von herabstürzenden Steinen erschlagen werden.

Die Panoramaseiten zeigen stets auch die größere Umgebung des Doms - die Eisenbahnbrücke, die schon bestand, bevor der Dom vollendet war und die die Kölner einst "Mausefalle" nannten, weil es den Anschein hatte, als verschwänden die Züge über dem Rhein in einem Käfig.

Der Kölner Dom eignet sich auch deshalb so gut zum Erzählen, weil oft etwas geschieht. "Die Glocke ist da!", heißt es in einer Kapitelüberschrift. Und da ist sie tatsächlich, die Kaiserglocke, bald Petersglocke genannt, deren Material Wilhelm I. gestiftet hatte. Doch sie hielt nur bis 1917, dann ließ Wilhelm II. sie einschmelzen, um daraus Kanonen zu gießen. Erst 1923 folgte der "Dicke Pitter", der zu besonderen Anlässen noch heute läutet.

Die Panoramaansichten der Domgegend beleben sich zusehends. Über dem Hauptbahnhof schwebt jetzt ein Zeppelin, Straßenbahnen umfahren die Kathedrale, und bald bilden sich die ersten Fahrzeug-Staus. Dann verdüstert sich die Palette des bis dahin so farbfreudigen Illustrators Christoph Baum. Straßen, Bahnen und zum Glück nicht übermäßig viele Teile des Doms sind im Zweiten Weltkrieg zerstört worden. Dass die Stadt Köln ringsum in Trümmern liegt, ist lediglich durch zerschossene Gebäude im Hintergrund angedeutet.

Schon auf der nächsten Panoramaseite kehrt dann die Farbe zurück. Es ist Karneval. Und dann ist der Dom auf einmal einbetoniert, von einer Domplatte umgeben, die zwar die Touristenströme aufnimmt, städtebaulich aber kein Schmuckstück ist. Was fehlt, ist eine Ansicht aus den 1960er Jahren, als der Dom noch auf einem grünen Hügel stand.

Am Ende des Wimmelbuchs betritt Papst Johannes Paul II. im Jahr 1980 den Kölner Dom. Der Weltjugendtag im August im Jahr 2005 rückt die Kathedrale erneut in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit, und 2007 wird im Südquerhaus das Farbquadrat-Fenster von Gerhard Richter eingeweiht.

Damit endet der Band, nicht aber die Geschichte des Weltkulturerbes, der ewigen Baustelle. Mit "Wie der Dom nach Köln kam" wird Familien ein wunderbares Geschichtsbuch in Bildern beschert. Dafür hat er in Kauf genommen, dass die Türme des hohen Doms durchweg fehlen. Ein Querformat ist dafür natürlich nicht geeignet - aber umso mehr fürs gemütliche und unterhaltsame Blättern zu zweit.

(B.M.)
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