"Rücktritte: Über die Kunst ein Amt zu verlassen" Volle Kraft zurück

"Wenn man eine leitende Position zu lange ausübt, besteht die Gefahr, dass man sich selbst irgendwann heiligspricht und damit die notwendige Bodenhaftung verliert", sagt Hartmut Mehdorn. Der Ex-Manager weiß, wovon er redet, in seiner langen Karriere hat der 75-Jährige viele Spitzenpositionen bekleidet, unter anderem beim Flugzeughersteller Dasa, der Fluglinie Air Berlin oder auf der Berliner Flughafenbaustelle BER. Vor allem aber war er fast zehn Jahre lang Chef der Deutschen Bahn. Jetzt tritt der frühere Top-Manager als Kronzeuge auf - in einem Buch über die Kunst des Rücktritts, das der Deutschlandradio-Redakteur Moritz Küpper im Auftrag der Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik geschrieben hat.

Das Werk liefert zunächst einen eher akademischen Teil, der das Thema historisch und psychologisch beleuchtet und mit einigen Statistiken unterfüttert; noch interessanter ist aber der zweite Teil des Buchs, der sich mit den praktischen Fragen eines Rücktritts beschäftigt: Warum? Wann? Wie? Mit wem darüber reden? Der Autor hat zahlreiche Prominente angeschrieben, die mehr oder weniger spektakulär aus dem Amt geschieden sind. Etliche wollten lieber nichts dazu sagen, andere wie Hartmut Mehdorn haben sich überreden lassen mitzumachen.

Marcel Reif erzählt, woran er gemerkt hat, dass seine Zeit als Kommentator großer Fußballspiele vorüber war, nämlich als er sich selbst zitierte. Kurt Beck verrät, dass er alle Argumente für und gegen seine Abdankung als SPD-Chef auf einem Spickzettel notiert und diesen dann im heimischen Klo hinuntergespült hat. Und Christian Lindner beschreibt, was er nach dem Rückzug vom Amt des FDP-Generalsekretärs gemacht hat: alle Folgen der US-Serie "24" am Stück gesehen.

Dem Autor ist es gelungen, ein klassisches Tabuthema so aufzubereiten, dass Theorie und Praxis einander gut ergänzen und der Leser sich nicht nur belehrt, sondern auch gut unterhalten fühlt.

Moritz Küpper: Rücktritte: Über die Kunst ein Amt zu verlassen. 2017, Tectum Verlag, 155 S., 19,95 Euro

(sw.)
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