Düsseldorf Unterwegs mit Gott

Düsseldorf · Kolumnist und Autor Axel Hacke hat ein Buch darüber geschrieben, wie es wäre, Gott leibhaftig zu begegnen. Und ihm Fragen zu stellen nach dem Sinn des Lebens. Am Düsseldorfer Schauspielhaus spielen zwei Schauspieler das nun durch.

Wäre ja möglich, dass Gott genauso aussieht, wie Kinder ihn sich vorstellen: väterlich, freundlich, eher harmlos. Jedenfalls sitzt da ein alter Mann mit zu kurzen Hosen und grauem Mantel auf der Parkbank gleich neben einem Schriftsteller, der nicht mehr weiter weiß im Text und darum die Gedanken im Park spazieren getragen hat. Und plötzlich schubst der alte Mann den Schreibtischflüchtigen von der Bank, nur Augenblicke bevor an genau jener Stelle ein Globus auf den Boden kracht. Da ist der Beweis erbracht: Der Kauz im grauen Mantel muss Gott sein, hinabgestiegen in das Reich seiner Schöpfung, zu sehen, was er angerichtet hat.

Axel Hacke schreibt nicht nur feinsinnige Zeitungskolumnen und Bestseller über falsch verstandene Liedtexte oder den Anstand. In "Die Tage, die ich mit Gott verbrachte" spielt er durch, wie es wäre, Gott leibhaftig zu begegnen und ihm Fragen stellen zu können. Und weil Hacke ein lakonischer Autor ist, inszeniert er das nicht als überwältigende Weihestunde, sondern als alltägliche Begegnung, bei der mit Leichtigkeit die großen Fragen gestellt werden: Warum der Mensch auf der Welt ist (nicht zu beantworten), warum es das Böse gibt (Preis der Freiheit) und wie man nur mit der ungeheuren Beliebigkeit des Schicksals zurechtkommen soll (tut Gott auch leid). Weil diese Fragen in bester philosophischer Tradition im Dialog abgehandelt werden, eignet sich die Erzählung vom Besuch des alten Herren bei seiner Kreatur auch fürs Theater.

Und so wurde Wolfgang Reinbacher Gott. Natürlich! Seit 57 Jahren ist der Schauspieler eine prägende Figur im Düsseldorfer Ensemble. Das ist in einer flüchtigen Welt und der noch unbeständigeren Theaterszene eine biblische Zeit. Also muss Reinbacher nur den grauen Mantel überstreifen, schon ist er dank seiner natürlichen Autorität der Weltenerschaffer in Gestalt des Jedermann. Und als Alter Ego des Autors Hacke gibt Moritz Führmann den sympathischen Schriftsteller mit den Sinnfragen. Es hat etwas Anrührendes, die beiden Düsseldorfer Publikumslieblinge im existenzialistischen Zwiegespräch zu erleben: Wie der Ältere mit schelmischer Gelassenheit auf die großen Momente seiner Rolle wartet. Auf die Augenblicke, da Gott alles Großväterliche abstreift und sich als stures Machtwesen zu erkennen gibt. Als ein Schöpfer, der das Böse schuf, um das Schöne noch schöner erscheinen zu lassen. Und dabei das Leid der Kreatur kaum im Sinn hatte. Und wie der Jüngere ihn durch den Abend begleitet, die technischen Aufgaben der verspielten Inszenierung übernimmt, mit dem Handy Szenerien in Puppenstubenformat filmt, die in einer Pappkarton-Wand auf der Bühne versteckt sind. Da wird Führmann zum willigen Assistenten eines Marionettenspieler-Gottes.

Regisseur Malte C. Lachmann und Bühnenbildnerin Ramona Rauchbach haben sich viel einfallen lassen, um dem Abend immer wieder überraschende Impulse zu geben und dem Stück alles Schulmeisterliche zu nehmen. Die Vorlage hat ja etwas von "Sofies Welt", von erzählerisch verpackter Philosophievermittlung. Wie der norwegische Kinderbuchautor Jostein Gaarder beherrscht auch Hacke die Kunst, große Denktraditionen zu Fragen wie dem Sinn von Leid und Tod in verständliche Sprache zu übersetzen. Und Fragen zu stellen, die jeden angehen, auch wenn sie sich im Alltag so gut verdrängen lassen.

Allerdings will Hacke seinem Ton treu und versöhnlich bleiben. Und so entwirft er einen naiven Gott, der selbst vor den Abgründen seiner Schöpfung erschrickt. Und für den ausgelieferten Menschen kaum mehr Weisheiten parat hat, als dass dieser sein Leben selbst in die Hand nehmen solle. Bei Hacke ist das kleine Glück das Ziel: lieben und geliebt werden, um nicht verloren zu gehen im großen Egal, in der großen Absichtslosigkeit des Universums. Und so lässt Lachmann das Foto vom Schriftsteller mit seiner Familie beim Abendbrot auf die Bühnen-Kartonwand projizieren. Der Einzelne im Kokon der Familie trotzt der Sinnlosigkeit der Welt.

Überraschend unbeschwert führen Reinbacher und Führmann auf eine melancholische Gedankenreise, die nachdenklich stimmt, aber nicht pessimistisch macht. Schade also, dass Gott die Bühne seiner Schöpfung bald wieder verlässt. War spannend mit Dir, alter Mann!

(dok)
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