Düsseldorf Taylor Swift enttäuscht mit ihrem neuen Album

Düsseldorf · Das ist schon jetzt das bestverkaufte Album des Jahres: Taylor Swift hat binnen vier Tagen weit mehr als eine Million Exemplare ihrer neuen Platte "Reputation" abgesetzt, sie ist der größte Popstar dieser Tage. Wer das Werk nun aber hört, wird merken, dass die Künstlerin ihr Alleinstellungsmerkmal aufgegeben und ihren eigenen Pop-Entwurf stark überarbeitet hat.

"Reputation" hat nicht mehr die zuckersüßen Melodiebögen und Refrains des umwerfenden Vorgängers "1989". Die Mehrzahl der Stücke ist überraschend bombastisch, aggressiv und düster. Swift flucht erstmals, sie singt über menschliche Abgründe, Selbstzweifel und Sexualität - und sie rappt. Es ist nicht mehr ihre Stimme, die die Songs trägt, es sind Effekte, Beats und Rhythmen. Überhaupt versucht sie sich an einer abgemilderten Version zeitgenössischer schwarzer Musik. Sie befreit sich von allen Zuschreibungen, von all dem, was ihren Signature-Sound definierte. Allerdings natürlich innerhalb der Grenzen dessen, was der Markt akzeptiert.

Bisher arbeitete Taylor Swift wie Madonna in ihrer mittleren Phase, sie spürte das Neue auf und verleibte es sich ein - man denke an das vom Dubstep beeinflusste Stück "I Knew You Were Trouble" aus dem Jahr 2012. Swift integrierte die Avantgarde der Gegenwart, um sich von Mitbewerbern abzusetzen. Neuerdings wildert sie im Mainstream, bei den Arrivierten also, bei Drake und Rihanna etwa, und das Ergebnis ist lauwarmer Pop-R'n'B.

Was nun nicht heißen soll, dass das Album, das in eine wütende erste und eine romantischere zweite Hälfte zerfällt, völlig misslungen wäre. Es gibt zwar nicht den einen großen Hit, aber die Lieder "Delicate", "Ready For it" und "Dress" sind großartig. Und zum Finale präsentiert sie das wunderbare Akustik-Stück "New Year's Day". Das Gros der übrigen Songs jedoch, die Max Martin und Jack Antonoff produziert haben, mag nicht zu Swift und ihrer Stimme passen. Ihr steht der düstere Soul nicht. Die 27-Jährige wirkt verkleidet.

Taylor Swift ist auf der Höhe der Zeit. Bisher indes war sie ihr voraus.

(hols)
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