Köln Überwachungs-Abend am Schauspiel Köln enttäuscht

Köln · Viele Köche verderben den Brei. Diese Weisheit trifft auch auf "Supernerds" zu, den Überwachungsabend am Schauspiel Köln. Er ist nicht bloß ein Theaterstück, sondern auch ein TV-Experiment und "Real-Life-Game", bei dem angemeldete Besucher SMS und Anrufe bekommen, die ein Gefühl für die modernen Überwachungs-Methoden des digitalen Zeitalters geben sollen. Bei der Premiere war "Supernerds" außerdem mit einer von Bettina Böttinger moderierten Live-Sendung verknüpft. Bei den Folgevorstellungen bleibt den Zuschauern eine halbgare Theateraufführung als Kern. Sie will betroffen machen, betrifft aber nicht, wirkt hektisch und überladen. Dass sie die größte Geschichte unserer Zeit erzählt, bleibt Behauptung.

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Die Voraussetzungen zum Abend lassen Großes erwarten: Jeder Zuschauer muss sich registrieren und Daten abgeben: Adresse, Handynummer, Mailadresse, Facebook-Profil. Dabei setzt der erste Denkprozess ein: Vertraue ich der Institution? Im Stück, dass die Kölner Hausregisseurin Angela Richter mit dem WDR und der Gebrüder Beetz Filmproduktion entwickelt hat, gibt es dann ein paar harmlose Spiele mit diesen Daten: Die Zuschauer sollen ihre Smartphones laut stellen. Die Technik lässt erst die der rechtsrheinisch wohnenden Zuschauer klingeln, dann der linksrheinischen. Sie errechnen die Kreditwürdigkeit, hacken eine der standardmäßig eingebauten Webcams (wirklich?), erstellen ein Dossier über eine Besucherin. Viele Handys wurden jedoch offenbar gar nicht erfasst. So einfach scheint Überwachung entweder doch nicht zu sein - oder die Verbindung der behördlich organisierten Systeme Stadttheater und öffentlich-rechtlicher Rundfunk hat zu einem allzu braven Umgang mit den Daten geführt. Nicht, dass noch jemand klagt.

Nicht auszudenken, was eine freie Gruppe wie Rimini Protokoll mit den Möglichkeiten gemacht hätte, die Angela Richter hatte. Sie konnte Wikileaks-Gründer Julian Assange genauso treffen wie Whistleblower Edward Snowden und viele andere "Supernerds", die ihr freies Leben aufs Spiel gesetzt haben, um Überwachungs-Mechanismen zu entlarven. Doch die Interviews kratzen an der Oberfläche und werden ohne klare Dramaturgie in einen Bühnenraum aus Symbol-Kitsch geworfen - in dem sie einfach verpuffen.

(RP)
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