Kolumne "Eine Frage des Stils" Wir öffnen Kasse vier für Sie!

Meinung | Düsseldorf · Dieser Tage besuchte ich jenen Discounter, bei dem in jeder Filiale das Toastbrot an der gleichen Stelle liegt, ebenso die Radieschen, der Ziegenkäse und der Wischmopp. Die einzige Unsicherheit ist: Wie lange wird die Schlange vor der Kasse sein?

 Im Supermarkt kann es schon mal hektisch werden.

Im Supermarkt kann es schon mal hektisch werden.

Foto: Kzenon /Shutterstock.com

Das Schönste, was vielen Menschen in diesen Läden passiert, ist die Lautsprecher-Durchsage: "Liebe Kunden, wir öffnen Kasse vier für Sie!" In solchen Momenten wird mancher, der bis dahin stoisch in der Schlange verweilte, zum Tier. Er versucht mit seinem Einkaufswagen in Windeseile abzubiegen und die neue Situation für sich zu nutzen. Sein Ziel: die Pole-Position. Doch in diesem Bestreben ist er nicht allein. Beinahe alle in der Schlange vor Kasse drei, die ihre Waren noch nicht aufs Förderband gelegt haben, versuchen sich direkt nach der akustischen Offerte einen Platzvorteil an Kasse vier zu sichern. Dabei kommt es zu Karambolagen, zu Attacken der Fersen, Beschimpfungen und arger Hektik. Jeder sucht den Vorteil für sich zu reklamieren; wer zuvor noch eine gewisse Wartezeit in Kauf nahm, ist nun auf jede Sekunde versessen. Das macht keinen Sinn und hat keinen Stil.

Wir sollten in solchen Situationen gelassener werden. Vom Nil-Delta wissen wir, dass die Verbreiterung des Abflusses keine höhere Fließgeschwindigkeit erzeugt. Ein ähnliches Phänomen kennen wir von französischen und italienischen Maut-Stationen auf der Autobahn. Man hält sich für oberschlau, wenn man nach ganz links fährt, wo nur ein Auto ansteht. Indes handelt es sich dabei oft um einen Autofahrer, der die Landessprache nicht versteht, umständlich nach Kleingeld kramt, die Münzen auf die Fahrbahn fallen lässt, aussteigen muss und erst viel später, mit rotem Kopf, mit Bluthochdruck und unter Gefährdung des abfließenden Verkehrs, weiterfährt. Alles schon erlebt.

Sie, geneigter Leser, haben diese Stil-Kolumne geduldig zu Ende gelesen, obwohl auch auf dieser Seite, etwa ganz oben, einige deutlich kürzere Artikel verfügbar sind. Hat es Ihnen geschadet? Nein? Na also.

Fragen und Anregungen unter "Eine Frage des Stils" an kultur@rheinische-post.de

(wg)
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