Salzburg Shakespeares Sturm im Wasserglas

Salzburg · Die Salzburger Festspiele arbeiten sich an William Shakespeare und Richard Strauss ab.

Im Dienste der Kunst gibt es zwei harmlose Fälle von Misslingen. Im ersten Fall glückt es den Interpreten nicht, ein eher unbedeutendes Kunstwerk durch einen genialischen Griff auf eine höhere Niveaustufe zu heben; sie arrangieren sich mit der Zweitklassigkeit, und am Ende versteht man gar nicht, warum sie's überhaupt aufführen. Im zweiten Fall legt das Kunstwerk die Latte von sich aus gigantisch hoch, und die Interpreten laufen eifrig drunter her. Diese beiden Fälle ereigneten sich nun in kurzer Folge bei den Salzburger Festspielen.

Richard Strauss' späte Oper "Die Liebe der Danae" wird von der Fachwelt als heiterer Altersausrutscher angesehen, wieder mal eine Almwanderung hinauf zur griechischen Mythologie, und die Musik glitzert mittlerweile so matt, dass sie wie Strauss' letztes Aufgebot klingt - wie ein Sehnsuchtsrausch in einer verwirrenden Zeit; die Oper sollte 1944 in Salzburg uraufgeführt werden, die damaligen Festspiele wurden aber kurz nach dem Attentat auf Hitler von den Nazis abgesagt.

Zwar lassen jetzt im Großen Festspielhaus die Wiener Philharmoniker unter Leitung von Franz Welser-Möst das herbstliche Gefunkel der Oper, in der es um Gold und Liebe geht, angemessen reflektieren, aber die Inszenierung von Alvis Hermanis ist (in eigenem Bühnenbild) so unironisch bombastisch, dass man sich von den zahllosen Goldaufbauten auf der Bühne auch in den hinteren Sitzreihen schier erdrückt fühlt. Immerhin waren die Partien der Danae und des Jupiters mit Krassimira Stoyanova und Tomasz Konieczny sehr gut besetzt.

Auf der Perner-Insel in Salzburgs Vorort Hallein gibt es dagegen ein Gipfelwerk, an dem sich die Akteure fast ergebnislos abarbeiten. Die Regisseurin Deborah Warner will Shakespeares "Sturm" laut Programmheft als offenes Kunstwerk inszenieren, das die Gefahrenlage auf den Weltmeeren für alle Seereisenden, Flüchtlinge eingeschlossen, dokumentiert. Die Filmgruppe "Fettfilm" zeigt uns auf einer Leinwand denn auch turmhohe Wellen, die freilich keine ebensolche Sprechkunst und Bildideen in den Saal spülten.

Die Regie ist blass und bemüht; die riesige Spielfläche ist unterteilt in kleine Betätigungsfelder für Prosperos Bauarbeiter, den Luftgeist Ariel. Aber man spürt beim Hingucken vor allem die Plage, die den Schauspielern das ganze Gerenne bereitet.

Gewiss sind in Peter Simonischek ("Toni Erdmann") als emotional aufgeräumtem Prospero, Jens Harzer als aufrührerischem Caliban, Branko Samarovski als resignierendem Alonso und Charles Brauer als altersweisem Gonzalo vorzügliche Mimen beteiligt, doch fühlt man sich als Betrachter wie in einem Ausflugslokal der Schauspieler-Gewerkschaft, in dem eine gewisse abendliche Melancholie einkehrt.

Und weil von Anfang an auch überaus mäßig und beinahe diskret deklamiert wird, mochte man jenem verdrossenen Salzburger nur zu gerne beipflichten, der zur Pause für viele hörbar befand: "Dös is mir zu fad. I geh hoam!"

(w.g.)
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