Krefeld Rossini-Oper für die Generation Youtube

Krefeld · Kobie van Rensburg zeigt den "Barbier von Sevilla" als virtuelles, musikalisches und spielerisches Fest.

Würde Gioacchino Rossini heute leben, wäre er als Stürmer der Belcanto-Charts ein heißer Kandidat für quotenbringende Fernsehformate. Vielleicht bekäme er als ausgewiesener Gourmet eine Kochshow. Das nutzt der südafrikanische Regisseur Kobie van Rensburg in seiner Inszenierung des "Barbier von Sevilla" fürs Krefelder Theater: Zur Ouvertüre lässt Rossini in einer TV-Küche Omeletts durch die Luft fliegen und Gemüsemassaker anrichten. Die Texteinblendung zeigt dem Zuschauer, dass das "groovy" ist - und das Publikum ist entzückt: So hat man den Meister der Bravour-Arien noch nie erlebt.

Van Rensburgs Inszenierung ist ein großer Coup, der mit High-Tech-Finessen arbeitet, wie es bisher auf keiner deutschen Bühne zu sehen war, ein unbändiger Spaß, bei dem einem Hören und Sehen vergehen könnte, hätte man nicht Angst, gleich die nächste glorreiche Pfiffigkeit zu verpassen. Die fliegenden Omeletts sind optische Täuschung: Mit Blue-Box-Technik - alles, was blau ist, verschwindet vor einem blauen Hintergrund - werden die Sänger auf der karg ausgestatteten Bühne gleichzeitig in eine virtuelle Szenerie über dem Aktionsraum gebeamt: Graf Almaviva und Figaro sitzen unten auf einem blauen Podest mit Lenkrädern - gleichzeitig sausen sie oben in schicken 60er-Jahre-Flitzern durch Sevilla. "Copy and paste" als wahnwitziger Spaß - und als Anspielung auf den Komponisten, der wie kaum ein anderer die eigene Musik aus weniger erfolgreichen Stücken einfach nochmals verwertete. Bunt, quirlig und überbordend vor Einfällen nutzt van Rensburg Technikmöglichkeiten, um die Musik-Komödie von 1816 sogar der Youtube-Generation schmackhaft zu machen. Er schlägt mächtig auf die Sahne, färbt die deutschen Übersetzungstexte, die er ins Bühnenbild wirft, mit gut abgeschmeckter Ironie ab, lässt saftig fluchen und spielt mit Filmmitteln auf so vielen Ebenen, dass sich niemand sattsehen kann, wie ein alter Haudegen die Liebe eines jungen Paares verhindern will. Das kann Theater - und ist dabei noch besser als Film, weil gleichzeitig alles live passiert und das Visuelle als künstlich erzeugtes Mittel entlarvt wird.

Dass so viel Komik nicht in Lächerlichkeit kippt, liegt auch am Ensemble, das stimmlich, mit Spielbegeisterung und Präzision glänzt. Levy Sekgapane füllt die Figur des verliebten Grafen mit selten gehörten Stimmfarben. Sein Tenor glüht in den satten tiefen Bereichen und lodert in den Höhen. Die bravouröse Schlussarie - meist bei "Barbier"-Inszenierungen gestrichen - meistert er mit Gefühl und unfassbar großem Atem. Sophie Witte als seine Auserwählte Rosina tanzt anmutig durch alle Koloraturen. Rafael Bruck gibt den selbstverliebten Figaro mit Schmalztolle und baritonalem Schmelz, und Andrew Nolen verleiht dem fiesen Basilio ("Musikant, Intrigant, Arschgeige") diabolische Dimensionen. Auch die Niederrheinischen Sinfoniker passen sich dem Action-Tempo an - ohne unter Andreas Fellners Leitung die Musik verkochen zu lassen. Im Gegenteil: Jedes Detail machen sie zum Festschmaus.

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(RP)
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