Düsseldorf Pures Gold bei Bruckner

Düsseldorf · London Philharmonic Orchestra gastierte in der Düsseldorfer Tonhalle.

"Gimme five" nach Bruckners Vierter. Diese Geste des Abklatschens zwischen dem Mann an der Klarinette und dem Solohornisten des London Philharmonic Orchestra, aufgeschnappt nach getaner Arbeit in den Katakomben der Düsseldorfer Tonhalle, zeugt vom Sportsgeist der Vorzeige-Musiker von der Insel. Und es gab allen Grund zur Selbstzufriedenheit im Instrumentalisten-Team. Denn erstens hatte Mr. Solohorn bei allem Wohlklang nicht einmal gekiekst bei seinem absturzgefährdeten Job, zweitens hatte der vom Dirigenten Robin Ticciati geleitete Klangkörper einen Bruckner hingelegt, der das Publikum regelrecht euphorisierte.

Nun ist Bruckners "Romantische" weit mehr als das ohrwurmtaugliche Horn-Quintenmotiv des Kopfsatzes: Das 70-Minuten-Werk stellt Musiker wie Zuhörer vor anspruchsvollste Aufgaben. Dieses ewige Scheitern, dieses Rackern am Material, jene Augenblicke der Heiligkeit und Schönheit, die harmonischen Treibsand-Strudel und verzweifelten Nachlaufenspiele - all das will in großer Geste gebändigt, zusammengehalten, gedeutet sein. Ticciati, Chef des Scottish Chamber Orchestra und der Glyndebourne Festival Opera, lächelt zunächst dazu, pflegt fast smarte Handweisungen, um dem Orchester den Weg durch die Partitur zu zeigen. Hören können die Jungs nämlich selbst, da muss keine große Geste die Posaunen-Fraktion aufspießen, wenn wieder einer dieser Choräle das Tonhallengewölbe mit purem Gold füllt; da müssen keine Geigen gemaßregelt werden, damit man das Fagott versteht; überhaupt ist Transparenz im LPO selbstverständliches Handwerk. Das Holz: eine Pracht. Die Streicher: reinstes Tönen. Das Blech: ein Fest. Und Ticciati gebietet mit seinen 33 Jahren souverän über ein Werk mit all seinen Verwerfungen und dynamischen Extremen, dass selbst erfahrene Kollegen den Hut ziehen.

Vor der Pause das Mendelssohn-Konzert mit Christian Tetzlaff. Der deutsche Geiger ist schon 50, kennt das populäre Werk sicher rauf wie runter. Und richtet sein Augenmerk vielleicht deshalb auf einige wenige pikant intime Momente: Den Übergang zum 2. Thema im ersten Satz etwa, jenes Zögern vor der großen Kantilene, dehnt er in fast unhörbarem Pianissimo zur kleinen Ewigkeit. Tetzlaffs Bogentechnik und sein Ton sind anbetungswürdig. Sein Zugabe-Bach ist Ausbund schwingender Polyphonie.

(RP)
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