Legendäres "Beach Boys"-Album Popmusik für Erwachsene: "Pet Sounds" wird 50

Düsseldorf · Das Meisterwerk der Beach Boys etablierte das Album als Kunstform. Und es klingt heute noch frisch.

Man kann Steve Jobs ja leider nicht mehr fragen, aber es könnte gut sein, dass wegen dieses Albums der iPod erfunden wurde. Es ist nämlich so schön, dass man es immer bei sich tragen möchte, und es ist so anrührend und ergreifend, dass man es am besten allein hört, und am allerwohlsten fühlt man sich mit dieser Musik, wenn man Kopfhörer trägt und die Welt auf Abstand hält. "Pet Sounds" ist das Meisterwerk der Beach Boys, und im Gegensatz zu "Sgt. Pepper" von den Beatles, dem großen Konkurrenten um den Titel "wichtigstes Album aller Zeiten", wirkt es an keiner Stelle abgenutzt und durchgehört, sondern im Gegenteil frisch wie vor 50 Jahren, als es erschien.

Die Zartheit der Kompositionen lässt einen mitunter vergessen, dass "Pet Sounds" ein Rebell ist. Damals waren Alben lediglich Hitsammlungen, aber Brian Wilson, der Kopf der Beach Boys, erhob das Format zu einem Kunstwerk von eigenem Rang, Alben wurden fortan wie Gemälde, Bücher oder Dramen betrachtet. 1966 war insofern womöglich das wichtigste Jahr im Pop. Damals erschienen auch "Blonde On Blonde" von Bob Dylan und "Revolver" von den Beatles. Damals wurde das Genre erwachsen, Pop war nicht länger der Soundtrack zum Teenager-Sommer. "Wouldn't it be nice / If we were older", so lautet der erste Vers auf "Pet Sounds".

Es geht ums Älterwerden, um den Abschied von der Jugend, das ist der rote Faden. Einen Songzyklus hatte Brian Wilson im Sinn, den Begriff hatte er von seinem Kumpel Van Dyke Parks übernommen, der zwei Jahre später ein eigenes Album so betitelte. Und weil Lyrics und Musik zusammenpassen sollten, engagierte er sich eigens einen Texter, Tony Asher, der den Verlust der Jugend in Verse bringen sollte: Wehmut, Euphorie und Aufbruchstimmung. Im Grunde ist "Pet Sounds" der Soundtrack zum Roman "Der Fänger im Roggen" (1951) von J.D. Salinger.

"God Only Knows" heißt das Juwel dieser nur 36 Minuten langen Platte, es kennt den Weg vom Ohr ins Herz, aber auch "Caroline, No" und so viele andere sind toll. Wilson tourte ja schon seit längerer Zeit nicht mehr mit seinem Cousin Mike Love, seinen Brüdern Dennis und Carl sowie Bruce Johnston und Al Jardine. Und deren Konzertreise nach Japan nutzte er, um sein Innerstes umzukrempeln und im Studio in L.A. die Arrangements von "Pet Sounds" vorzubereiten. Er nahm das Bellen seines Hundes auf, Fahrradklingel und Hupe, Waldhorn, Löffel und Plastikflasche. Oft heißt es, die Platte sei im Wirklichkeit ein Soloalbum, aber das stimmt nicht, denn ohne den Harmoniegesang der anderen Beach Boys hätte das Werk nicht diesen Glanz, die Wärme. Wilson benutze das Studio wie ein Instrument, er schuf ein Album, das Elemente aus Jazz, Psychedelic, Klassik und Pop vereint.

Der Plattenfirma gefiel das allerdings nicht, man wollte Surfhits. Auch das Publikum brauchte Jahre, um die Größe des Werks zu begreifen: In den USA erreichte es nur Platz 10 der Charts. Dem an Schizophrenie leidenden Wilson, der während der Aufnahmen LSD, Kokain und Heroin wild durcheinanderwarf, blieben nur zwei kreative Jahre, bevor ihn die Krankheit lähmte - das Gros dieser Zeit verschwendete er auf das Nachfolgewerk "Smile", das das endgültige Pop-Album werden sollte. Es erschien nie in der geplanten Form, der Kinofilm "Love & Mercy" erzählt davon.

"Pet Sounds" ist also ein Unikat. Das schönste Album der Welt.

(hols)
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