Phil.cologne Harald Schmidt war immer schon 55

Köln · In einer launigen Gesprächsrunde der Phil.cologne ging es um die Kunst des Alterns.

Wer alt ist, ist raus. Jugendwahn schlägt Altersweisheit. In einer alternden Gesellschaft ist Jugendlichkeit die härteste Währung. Stimmt das oder ist es genau umgekehrt? Darüber diskutierten beim Phil.cologne-Abend "Ü 18 - Die Kunst des Alterns" im großen WDR-Sendesaal in Köln die Künstlerin Mary Bauermeister, die Philosophin Susan Neiman, der Entertainer Harald Schmidt und Christiane Woopen, Vorsitzende des Ethikrates.

Der zu Beginn von Moderator Jürgen Wiebicke angekündigte Kampf und das Ringen mit dem Alter und der Vergänglichkeit blieben aus. Vor allem Harald Schmidt und Mary Bauermeister dachten nicht daran, diesen Pfad zu betreten. Den als Köder ausgelegten Verweis auf den Philosophen und Essayisten Jean Améry, der in seinem Buch "Über das Altern" sagt, dass dem alten Menschen der "Kredit auf die Zukunft" gekündigt werde, schluckten sie nicht.

Harald Schmidt erklärte, er habe kein Problem damit, älter zu werden. "Ich glaube, jeder Mensch hat ein inneres Alter, das er nie verlässt. Ich war zum Beispiel schon immer 55 Jahre alt, auch mit 17. Jetzt bin ich zwei Jahre drüber. Wo ist das Problem?"

Die Idee vieler Menschen, mit aller Macht jünger erscheinen zu wollen, fand Susan Neiman "geradezu pervers". Die 60-Jährige findet es seltsam, ein "Alter reproduzieren zu wollen, das eigentlich niemand mehr haben will". Kein Mensch mit Mitte 40 oder 50 wolle ernsthaft wieder 20 Jahre sein. "Das war doch nicht die schönste Zeit des Lebens. Die meisten waren unsicher, unerfahren und unselbstständig. Wer will das als Erwachsener sein?"

Den stärksten Eindruck des Abends hinterließ die Künstlerin Mary Bauermeister. Die 80-Jährige lebt nach eigener Aussage in der Verlängerung. "Ich war zeitlebens fest davon überzeugt: Mit 78 ist Schluss. Darauf habe ich mich vorbereitet, am Vorabend meines Geburtstages alles geregelt, mein Atelier aufgeräumt, allen Bescheid gesagt und gewartet. Ist aber nix passiert. Da habe ich ein neues Programm eingelegt." Seit sie alt sei, fühle sie sich noch freier als früher: "Ich bin grundlos glücklich." Wer als Kind den Krieg erlebt habe, empfinde den Rest des Lebens ohnehin als reine Freude.

Die pessimistische Sicht eines Jean Améry, den Wiebicke immer wieder in die Diskussion brachte, teilten weder Susan Neiman noch Christiane Woopen. Améry, der sich 1978 mit 65 Jahren umbrachte, glaubte, dass es so etwas wie ein "kulturelles Altern" gebe. Dadurch falle der alternde Mensch gleichsam aus seiner eigenen Kultur heraus und nehme sich als unzeitgemäß wahr. "Alter ist nicht zwingend mit Niedergang verbunden", sagte Christiane Woopen (52), "es ist nicht zwangsläufig ein Abgleiten in Ödnis. Allerdings sollten Dinge wie Gelassenheit und Weisheit älterer Menschen einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft bekommen."

Es sei ja nicht so, dass man diese und jene Errungenschaft moderner Technik nicht verstehe. Er wolle zum Beispiel kein Smartphone, sagte Harald Schmidt und demonstrierte, wie glücklich er mit seinem nostalgischen Mobiltelefon ist, indem er es auf der Bühne zu Boden warf und unbeschädigt wieder einsteckte. Mary Bauermeister räumte ein, sie sei schwerhörig. Ein Hörgerät lehne sie aber ab. Stattdessen hatte sie ein etwa einen Meter langes Kuhhorn mitgebracht, das sie sich ins Ohr steckte.

Das Programm der Phil.cologne gibt es unter www.philcologne.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort