Kolumne: Eine Frage des Stils Ohne Rücksichtnahme ist alles nichts

Viele Menschen auf wenig Raum - so ist es im Großraumbüro. Ist es okay, dem Kollegen zu sagen, dass der Dönergeruch oder das laute Singen dort furchtbar nervt? Ist es.

 Unsere Kolumnistin Barbara Grofe.

Unsere Kolumnistin Barbara Grofe.

Foto: RP/ Ekkehart Malz

Das Grauen währt nur kurz. Gottlob. Der - sehr geschätzte, sehr tolle - Kollege stellt seinen frisch gekauften Döner auf einem Tisch im Großraumbüro ab, und sofort gehen fünf Köpfe (so viele Menschen sitzen in diesem Büro) herum, gucken Richtung Kollege und Döner. "Äh", sagt jemand, "würde es dir etwas machen, den Döner nicht hier drin zu essen? Er riecht." Der geschätzte, tolle Kollege packt sein Mittagessen ein und verlässt den Raum. Und prompt stellt sich die Frage: Wie verhält man sich denn nun korrekt - sozialverträglich und trotzdem selbstbestimmt - in einem Großraumbüro?

Auf vergleichsweise kleinem Raum sitzen in diesen Großraumbüros die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Jeder dieser Menschen hat seine ganz eigenen Vorstellungen davon, was nervt und was okay ist. Die Grenzen des Aushaltbaren verlaufen bei jedem woanders. So findet Frau X es völlig normal, beim Tippen mittellaut Schlager-Lieder vor sich hin zu singen - Herr Y aber hasst Schlager und Singen und würde ihr am liebsten den Mund zuhalten. Herr A breitet seine Unterlagen nie nur auf seinem, sondern immer auch auf dem Tisch von Frau B aus - die stört das wahnsinnig, sie schiebt die Unterlagen dann heimlich wieder zurück in seine Richtung. Frau X und Herr A denken sich vermutlich nichts Schlimmes bei ihrem Verhalten, und auch der Döner-Mann wollte die Kollegen sicher nicht absichtlich olfaktorisch belästigen. Sie haben vermutlich einfach nur nicht über ihr Verhalten nachgedacht.

Gedankenlosigkeit im Großraumbüro ist allerdings schwierig. Wer in Frieden und produktiv auf engem Raum miteinander arbeiten will, muss sich für den Nachbarn interessieren und dafür, ob der sich vom eigenen Verhalten gestört fühlen könnte. Wer die Lage nicht einschätzen kann, muss im Zweifel fragen, ob es nervt, wenn am Arbeitsplatz gegessen wird. Das ist die eine Seite. Die andere ist die: Wenn ich diejenige bin, die sich über ein (möglicherweise unbewusst störendes) Verhalten aufregt, sollte ich das sagen. Freundlich, respektvoll - und vor allem: nicht erst nach Wochen und Monaten, wenn sich schon verdammt viel Wut ob der Rücksichtslosigkeit angestaut hat. Damit der Arbeitskollege Bescheid weiß und eine Chance hat, etwas zu ändern.

Gegenseitig Rücksicht nehmen, aufmerksam für die Reaktion der Kollegen und auch ehrlich sein, wenn es um die eigenen Bedürfnisse geht. Das schützt vor dem Großraumbürokoller.

Haben Sie eine Stilfrage? Dann schreiben Sie uns an stilfrage@rheinische-post.de

(grof)
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