Wuppertal Noch mehr Platz für Kunst in der Natur

Wuppertal · Im Wuppertaler Skulpturenpark ergänzt sich das Drinnen mit der Umgebung. Imi Knoebel ist mit seinem Raum 19 zu Gast.

Auf dem Berg über der Wupper liegt der Skulpturenpark Waldfrieden unter Baumriesen. Wie ein Ausguck wirkt die frisch eröffnete dritte Ausstellungshalle - mit 319 Quadratmetern bietet sie Raum für große Skulpturen. Aktuell sind dort Werke von Bildhauern wie Klaus Simon zu sehen. Parallel zeigt Park-Stifter Tony Cragg ein Schlüsselwerk des Minimalisten Imi Knoebel.

Über den Wipfeln Wuppertals thront sie als Krönung, die dritte Ausstellungshalle. Damit hat der Skulpturenpark den Raum, in dem Werke zeitgenössischer Bildhauer unter schützenden Dächern gezeigt werden, nun auf insgesamt 700 Quadratmeter vergrößert. Ein Jahr lang wurde an dem großzügig verglasten und neun Meter hohen Zuhause für besonders große und schwere Skulpturen gebaut. Es hat keinen Keller, dafür aber ein großes Tor, damit die Werke auch hineinpassen. Das gilt etwa für den fast sechs Meter hohen "Turm" von Klaus Simon, der nun in der Halle emporragt - neben einem kugelig geformten Käfer, der nur entfernt als Auto erkennbar ist (Beetle Sphere von Ichwan Noor aus Indonesien). Das Karussell brutal agierender Körper des Briten Mat Collishaw (All Things Fall) ist beleuchtet und braucht die dunklen Herbststunden, um richtig zu wirken.

Ein Spaziergang durch den bunten Blätterwald führt von der neuen Halle, die im nordöstlichen Bereich auf dem höchsten Punkt liegt, hinunter in den Park zu den Metalltieren von Thomas Kühnapfel (Big Animal 1 und 2 aus poliertem Edelstahl). Die Neuerwerbungen Tony Craggs sind weitere Stationen auf der Entdeckungsreise durch diesen wunderbar verträumten Ort, der seinen Platz in einer geschäftigen Stadt hat. Ein Ausflug hierher kann Stunden dauern, und niemand muss dabei darben, denn im Café Podest am Parkeingang werden neben herzhaften Speisen auch köstliche Kuchen serviert.

Doch vorher sollte man unbedingt Station in den anderen Ausstellungsräumen machen, die Spannendes zu bieten haben: Das Glas des Pavillons, auf den Besucher gleich neben der Villa Waldfrieden stoßen, ist derzeit wie blind durch weiße Farbe. Nichts soll von dem ablenken, was er birgt - einen besonderen Raum, der uns im übertragenen Sinne mitnimmt auf eine Zeitreise. Denn die Installation oder der Werkblock ist quasi Inventar - und zwar dasjenige des "Raum 19", den sich zwei Künstler in den 60er Jahren teilten. Beide nannten sie sich IMI (nach ihrem Abschiedsgruß "Ich mit Ihm"), großspurig hatten sie von ihrem Lehrer Joseph Beuys an der Düsseldorfer Kunstakademie einen eigenen Raum gefordert. Als Bedingung dafür, dass sie in seine Klasse einstiegen. Und der Lehrer gab den zwei noch jungen Imis (Knoebel und Giese, die noch keinerlei Erfahrung vorzuweisen hatten) auch tatsächlich den Schlüssel, verlangte dafür allerdings Ergebnisse.

Eines davon wurde legendär und existiert bis heute mittlerweile in der dritten Version: Es ist "Raum 19" von Imi Knoebel. Der heute 76-Jährige setzt Formen, die an Kästen und Kisten, große Rollen oder Keilrahmen erinnern, die auf die Leinwand zu warten scheinen, zueinander in Beziehung. Auch ein paar kleine Holzspäne oder Hobelspäne liegen wie zufällig da - alles ist aus Hartfaser gefertigt, schlicht in Braun. Zum ersten Mal zeigte Knoebel dieses nach außen gekehrte Raum-Innere beim Winterrundgang 1968/69, aufgebaut im Erdgeschossflur der Kunstakademie. Seitdem begleitet die Installation ihn als Ausdruck seines künstlerischen Anfangs durch sein Leben, in dessen Verlauf er schon in den 1970er Jahren Tony Cragg, den Stifter des Skulpturenparks, bei einer Ausstellung in Gent traf. Seinerzeit waren beide noch Nachwuchskünstler - doch verloren sie sich nie aus den Augen.

Derzeit zeigt Cragg neben "Raum 19" noch eine ganze Reihe Bilder des Minimalisten Knoebel. "Tafelbilder" sind es, in denen farbige Flächen - mit kräftigen Pinselstrichen geschaffen - sich auf den Raum beziehen. Was zum Teil bedeutet, dass sie in ihrer Zusammenstellung einen Raum kreieren. Oder eine blaue Wand mit einem gelben Fenster, hinter dem es verheißungsvoll rot schimmert ( "Drunter und drüber"). Beherrscht wird die Halle von "Fishing Yellow" - farbige Leisten sind darauf montiert, leicht kann man sie sich als Angeln vorstellen, die das Gelb einfangen möchten. Erfrischend klar erstrahlt das alles im Sonnenlicht, was diesen Ausstellungsraum durchströmt. Mit den Werken von Knoebel und der neuen Halle gehen die Verantwortlichen im Skulpturenpark mit großen Schritten dem Jubiläum entgegen, das sie im kommenden Jahr feiern werden: zehn Jahre Waldfrieden.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort