Nachtkritik aus Bayreuth "Tristan" als wirres Psychodrama

Bayreuth · Bei den Richard-Wagner-Festspielen war Katharina Wagners Inszenierung kaum umstritten. Es gab wenige Buhs, aber viele Bravo-Rufe. Christian Thielemann am Pult und die Sänger wurden gefeiert.

 Eine Szene aus dem 1. Aufzug (Probe): Christa Mayer (Brangäne) und Evelyn Herlitzius (Isolde).

Eine Szene aus dem 1. Aufzug (Probe): Christa Mayer (Brangäne) und Evelyn Herlitzius (Isolde).

Foto: dpa, kde

Man durfte es erwarten, befürchten, erhoffen: Die Urgroßenkelin des großen Richard Wagner hat zur Eröffnung der diesjährigen Bayreuther Festspiele das Liebesdrama "Tristan und Isolde" aus dem Himmel der Liebe, die nur vom Tod begrenzt wird, in die Niederungen des menschlichen Rachedurstes gestürzt, der hier die Geschicke lenkt.

Die Geschichte erzählt sie phasenweise wie neben dem Stück: Der Liebestrank wird nicht getrunken, sondern von Tristan ausgeschüttet. Doch schon der Burggarten im zweiten Akt ist kein Paradies, sondern das Gefängnis von König Marke, in dem zwei verzweifelt Liebende wie Sträflinge gehalten werden. Am Ende stirbt Isolde nicht, sondern wird von König Marke brutal in die Ehe gezerrt — auch eine Form von Liebestod.

Diese Lesart sorgt für etliche dramaturgische Brüche, eine Konzeption erkennt man nicht. Das Bühnenbild des ersten Aktes ist an Hässlichkeit kaum zu überbieten: eine Orgie aus Treppen, Aufzügen und Aluminiumgeländern.

Insgesamt ein wenig erbaulicher Abend, ein kaltes, wirres Psychodrama, das im dritten Akt allenfalls zu seltsamen Visionen findet, Und man darf auch nicht immer auf den Text hören, der da gesungen wird.

Evelyn Herlitzius und Stephen Gould sind ein großartiges Paar; beide vereinen stimmliche Schönheit mit Kondition, Durchschlagskraft mit Differenzierung. Georg Zeppenfeld imponiert als König Marke. Christian Thielemann dirigiert mit Freude an teilweise überraschend trägen Tempi; das Festspielorchester spielt mit gewohnter Hingabe und Meisterschaft.

Eine ausführliche Besprechung folgt.

(w.g.)
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