Herzversagen Udo Jürgens - der Tod traf ihn mitten im Leben

Zürich · Udo Jürgens ist an diesem Sonntag an Herzversagen gestorben. Er war nach Angaben seiner Agentur bei einem Spaziergang in Gottlieben im Thurgau bewusstlos zusammengebrochen.

Udo Jürgens: Stars und Kollegen reagieren bestürzt
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Foto: afp, vel

Trotz sofortiger Versuche, ihn wiederzubeleben, sei er nach der Überführung ins Kantonsspital Münsterlingen am Nachmittag um 16.25 Uhr an akutem Herzversagen verstorben, teilte die Publicum pmi AG am frühen Abend mit.

Udos Manager Freddy Burger, Pepe Lienhard und das ganze Management- und Tourneeteam seien geschockt und in großer Trauer. Sie sprachen der Familie und den Angehörigen ihr tief empfundenes Beileid aus. Auch etliche mit ihm befreundete Promis wie Franz Beckenbauer oder Udo Lindenberg äußerten sich bestürzt.

In den sozialen Netzwerken machte sich angesichts der Todesnachricht Trauer breit. "Ich verneige mich", schrieb ein Fan, "diese Nachricht schockiert uns alle". "Möge im Himmel eine Bühne mit gläsernem Klavier auf dich warten", hieß ein weiterer von mehr als 3500 Einträgen, die nicht mal eine Stunde nach der Todesnachricht auf Udos offizieller Facebook-Seite standen.

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Konzerttermine für 2015

Sein Tod kam völlig unerwartet. Jürgens stand noch wenige Tage zuvor auf der Bühne, etwa in Hamburg, Stuttgart oder Zürich. Weitere Termine waren für 2015 geplant, der Entertainer wirkte so agil wie eh und jeh. Jeden zweiten Tag wollte er laut Tourplan auftreten.

Seine Tournee trug den Titel "Mitten im Leben".

 Auf der offiziellen Website von Udo Jürgens war am Sonntagabend nur ein Foto in Schwarz-Weiß zu sehen.

Auf der offiziellen Website von Udo Jürgens war am Sonntagabend nur ein Foto in Schwarz-Weiß zu sehen.

Foto: Screenshot

Die erste Hälfte seiner Tour war für ein Triumph. Am 7. Dezember spielte er in Zürich sein letztes Konzert. Nach Angaben auf seiner Facebookseite waren alle 26 Termine mit weit über 170.000 Zuschauern ausverkauft. Über den Jahreswechsel wollte sich der so lebendige Künstler ein paar Wochen Erholung gönnen, am 22. Februar sollte es dann in Rostock weitergehen. 23 Konzerten waren geplant, für den 9. Januar die neue Single "Zehn nach elf" — der Titel setzte üblicherweise den melancholischen Schlusspunkt bei seinen Konzerten.

Seine Auftritte waren Kult

Seine Live-Auftritte mit Hits wie "Es wird Nacht, Señorita", "Aber bitte mit Sahne", "Griechischer Wein" oder "Immer wieder geht die Sonne auf" waren lange Zeit einfach Kult. Bei Tourneen durch fast ganz Europa erlebten Millionen Udo Jürgens auf der Bühne. Seine Zugaben im weißen Bademantel waren legendär. Etliche seiner Titel sind ebenso unvergesslich geworden. Das zeigt ein Blick auf seine größten Erfolge, deren Melodie fast jeder kennt.

Udo Jürgens - für diese Titel wurde er geliebt
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Foto: Cover

Schon als Junge spielte der 1934 in Klagenfurt geborene Sohn der großbürgerlichen deutsch-österreichischen Familie Bockelmann Mundharmonika und Akkordeon, bald auch Klavier. Doch beinahe wäre in der ungeliebten Hitlerjugend die Musikerkarriere des Udo Jürgen Bockelmann verhindert worden: Damals bekam das junge Talent eine so brutale Ohrfeige, dass dadurch seine Hörfähigkeit auf einer Seite vermindert wurde.

"Der Mann mit dem Fagott"

Krieg und Nachkriegszeit seien auch für ihn bedrückende Jahre gewesen, berichtete Jürgens 2004 in seinem Bestseller "Der Mann mit dem Fagott". Damals entstand wohl schon jenes "unstillbare Harmoniebedürfnis", zu dem Jürgens sich stets bekannte.

Manch anderen in der Unterhaltungsbranche hätte so ein Grundgefühl zu watteweichem Schmusekitsch verleiten können. Jürgens hingegen bewies als "Chansonnier deutscher Sprache", dass Popmusik und geistiger Anspruch keineswegs Gegensätze sein müssen. Dafür verlieh ihm die Republik Österreich 1985 den Berufstitel "Professor" - und das, obwohl Jürgens längst in die steuerfreundliche Schweiz umgezogen war, wo der Millionär zuletzt in einer Villa am Zürichsee wohnte.

"Als Komponist und Textdichter ist es Udo Jürgens gelungen, unvergessliche Melodien mit mal heiteren, mal nachdenklichen und philosophischen Texten zu vereinen", hieß es in der Laudatio, als er 2014 in Berlin für sein Lebenswerk vom Musikrechteverwerter Gema geehrt wurde.

Mit dem Vatikan geriet er einmal aneinander

Zur deutschen Hauptstadt hatte der Star eine besondere Beziehung.
Auch als 1989 die Mauer fiel und Ostdeutsche zu Zehntausenden nach West-Berlin strömten, war Jürgens gerade in Berlin. "Wir haben mehr als nur eine Träne zerdrückt, sind uns mit wildfremden Menschen in den Armen gelegen", berichtete er der Nachrichtenagentur dpa. "Ich habe 5000 Mark genommen und den Leuten in die Tasche gesteckt, in Hundertern, ganz heimlich."

Ein Jahr vorher schon sagte Jürgens mit dem Song "Moskau - New York" das Ende des Kalten Krieges voraus: "In Berlin wird die Mauer von beiden Seiten zerschlagen, als gemeinsame Fackel wird Freiheit ins Morgen getragen."

Die Prophezeiung geriet 1988 angesichts einer Kontroverse in den Hintergrund, die "der Moralist am Klavier" ("taz") mit dem Song "Gehet hin und vermehret Euch" auf demselben Album auslöste. Das Lied wurde als Angriff auf die Haltung des Vatikans zur Empfängnisverhütung gedeutet und bei vielen Rundfunkanstalten mit einem Sendeverbot belegt.

1966 der Durchbruch

Den internationalen Durchbruch hatte sich der spätere "Schlager-Professor" 1966 bei seiner dritten Teilnahme am Eurovision Song Contest (damals noch: Grand Prix Eurovision) mit einem Lied ersungen, das auf der langen Liste seiner Evergreens weit oben steht: "Merci Chérie".

Lange danach sang Jürgens zur Begeisterung vieler Rentner "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an. Mit 66 Jahren, da hat man Spaß daran." Doch auch mit fast 80 war für ihn an Ruhestand gar nicht zu denken.
Da hatte er gerade ein neues Album veröffentlicht - mit dem leicht koketten Titel "Mitten im Leben".

Auch als Schürzenjäger bekannt

"Dass ich dieses Album schreiben konnte, in diesem Alter, das erfüllt mich mit einer unheimlichen Hoffnung", sagte er der dpa damals. Bei der zum 80. geplanten "Mitten im Leben"-Tournee sei sein Ziel genau das selbe wie bei all seinen früheren Bühnenshows: "Die Menschen sollen den Konzertsaal glücklich verlassen."

Als Vorteil hohen Alters sah der einst auch als Schürzenjäger bekannte Star an, was für den Kaffeeklatsch freilich eher betrüblich ist: dass er schon lange nicht mehr mit Frauengeschichten von sich reden machte. In den "wilden Jahren" sei es hingegen ganz schon hoch hergegangen, sagte er einmal der dpa. "Ich bin ein Zeitzeuge der 60er und 70er Jahre. Und jeder, der diese Zeit erlebt hat, weiß wovon ich rede."

(dpa)
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