Band-Aus Kraftwerk — Mensch verlässt Maschine

Düsseldorf (RP). Kraftwerk waren Florian Schneider und Ralf Hütter. Die beiden Studenten haben sich in den 1960er Jahren kennengelernt und 1970 in Düsseldorf die Band gegründet, die binnen zehn Jahren mit Titeln wie "Autobahn" und "Trans Europa Express" zu einer der einflussreichsten Musikgruppen der Welt wurde. Man trat zwar stets als Quartett auf, doch die Musiker um das Gründer-Duo wechselten häufig, wurden bloß als Angestellte behandelt. So wunderten sich viele Fans, dass bei den Konzerten der kürzlich beendeten USA-Tournee Schneider fehlte. Viel wurde spekuliert, gestern bestätigte Harald Engel von der Plattenfirma EMI: "Es ist richtig, dass Florian Schneider ausgestiegen ist."

Ob Schneider Solo-Projekte plant, ist ungewiss. Die Band selber hat sich nicht geäußert, war für eine Stellungnahme auch nicht zu erreichen. Aber das ist normal. Sie sagen eigentlich nie etwas, sondern werkeln in den legendären und viele Jahre verborgen gehaltenen Kling-Klang-Studios in der Nähe des Düsseldorfer Hauptbahnhofs vor sich hin. Woran genau, weiß niemand. Denn das letzte wirklich neue Material erschien 1986 auf dem Album "Electric Café". Alle folgenden Veröffentlichungen, auch das fünf Jahre alte Nummer-eins-Album "Tour de France Soundtracks", variieren Altbekanntes. Und mit dem Rückzug Schneiders ist die Hoffnung dahin, dass dereinst neue Stücke produziert werden.

Dennoch wird es die Band weiter geben. Kling-Klang-Mitarbeiter Stefan Pfaffe unterstützt Hütter im Range eines "Video-Operators" auf der anstehenden Tournee mit der Avantgarde-Band Radiohead durch Südamerika. Weitere Mitglieder sind Fritz Hilpert und Henning Schmitz.

Es wuchern viele Mythen um diese Band. Ehemalige Angestellte werden vertraglich zum Schweigen verpflichtet, heißt es. Nur Schlagzeuger Wolfgang Flür hielt sich nicht daran und veröffentlichte nach seinem Ausstieg ein Buch mit dem Titel "Ich war ein Roboter". Kraftwerk ist eine Konzeptband, und das Konzept heißt wie ihre erfolgreichste Platte: "Die Mensch-Maschine". Die Verweigerung und Anonymisierung ging so weit, dass man zu TV-Auftritten in den 80er Jahren Roboter schickte und selber fernblieb.

Florian Schneider ist der Sohn des Architekten Paul Schneider-Esleben, der das Mannesmann-Hochhaus am Düsseldorfer Rheinufer und den Flughafen Köln-Bonn plante. Der 61-Jährige verlässt seine Band zu einer Zeit, in der sie so viel Aufmerksamkeit bekommt wie zuletzt zu Beginn der 80er Jahre. Damals führte das Stück "Das Model" die britischen Single-Charts an.

Coldplay zitiert "Computerliebe"

Die repetitiven Rhythmen, der kühle Gesang und die radikale Ästhetik nehmen Genres wie Elektro-Pop, House, HipHop und Techno vorweg. Musiker, die auf sich halten, zitieren Kraftwerk — wobei die Band plumpen Ideenklau juristisch verfolgt. Der Hit "Talk" von Coldplay etwa ist eine — legale — Coverversion von Kraftwerks Lied "Computerliebe".

In der vergangenen Woche wurde angekündigt, dass Kraftwerk Ende April auf Einladung von VW an zwei Tagen drei Konzerte in Wolfsburg geben will — in einem stillgelegten Kraftwerk. Hütter wird sie mit der neuen Besetzung spielen. Die Karten waren binnen Stunden ausverkauft.

(RP)
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