Erfolg für Moses Pelham Verfassungsgericht kippt BGH-Urteil zu Sampling

Karlsruhe · Seit Jahren schon streiten Kraftwerk und der Komponist Moses Pelham über einen kopierten Beat von zwei Sekunden. Nun hat Pelham vor dem Bundesverfassungsgericht einen Etappensieg errungen.

Seine Verfassungsbeschwerde hatte Erfolg, der Fall muss neu entschieden werden, wie am Dienstag in Karlsruhe verkündet wurde. Der Bundesgerichtshof muss den Fall nun noch einmal bewerten. Seine Urteile - zuletzt von 2012 - trügen der Kunstfreiheit nicht hinreichend Rechnung, sagte Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof. Er begründete die Entscheidung mit der Kürze der Sequenz. Daraus sei ein neues, eigenständiges Kunstwerk entstanden, ohne dass Kraftwerk dadurch wirtschaftlichen Schaden habe. Ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen", sagte er. (Az. 1 BvR 1585/13)

"Ich bin sehr erleichtert, ich bin mit dem Urteil sehr glücklich. Ich glaube, dass es für die Fortentwicklung der Kunst ein sehr, sehr wichtiges Urteil ist", sagte Pelham nach Verkündung des Urteils.

Um den zweisekündigen Beat streitet Pelham seit mehr als einem Jahrzehnt mit den Elektropop-Pionieren Kraftwerk. Er hatte ihn 1997 ohne zu fragen aus dem Kraftwerk-Titel "Metall auf Metall" von 1977 kopiert und in Endlosschleife unter den mit der Rapperin Sabrina Setlur aufgenommenen Song "Nur mir" gelegt. Derzeit darf das Stück nicht verbreitet werden. Dagegen hatte Pelham geklagt. (Az. 1 BvR 1585/13)

Vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Urheberschutz in Hip-Hop und Rap warnte der Bundesverband Musikindustrie vor einer Aufweichung branchenüblicher Standards. "Sollte durch die Entscheidung der Eindruck entstehen "Kunstfreiheit sticht immer", könnte das Folgen haben, die über den konkreten Streit weit hinausreichen", sagte Geschäftsführer Florian Drücke der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe. "Das wäre Wasser auf die Mühlen derer, die sagen, im Internet soll alles erlaubt sein."

Kraftwerk-Gründungsmitglied Ralf Hütter wirft Pelham Diebstahl geistigen Eigentums vor. Unter Kollegen hätte es sich gehört, vorher anzurufen, hatte er im November in der Verhandlung in Karlsruhe gesagt. Vor dem Bundesgerichtshof erreichte er 2012 in letzter Instanz, dass der Setlur-Song nicht mehr vertrieben werden darf.

Dagegen hatten Pelham und Setlur Verfassungsbeschwerde eingelegt. Etliche Produzenten und Musiker hatten sich angeschlossen, darunter die Sängerin Sarah Connor, der Rapper Bushido und der Reggae-Musiker Gentleman. Sie wollen erreichen, dass die Interpretation fremder Beats in neuem musikalischen Kontext ohne Genehmigung möglich bleibt. Sonst sei Hip-Hop nicht mehr möglich. (Az. 1 BvR 1585/13)

Aus Sicht des Branchenverbands, der nach eigenen Angaben mehr als 80 Prozent des deutschen Musikmarktes vertritt, ist ein solcher Streit aber die absolute Ausnahme. In aller Regel gebe es eine Einigung zwischen den betroffenen Künstlern, und zwar vor dem Sampling. "Jetzt wird daraus leider eine Grundsatzdiskussion gemacht, die in die falsche Richtung führen kann", sagte Drücke. Er befürchtet eine Entwertung des kreativen Schaffens, sollte sich Pelham durchsetzen.

(felt/dpa)
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