Tourauftakt in der Lanxess Arena Überragender Justin Timberlake verzaubert Köln

Köln/Düsseldorf · Im ersten seiner beiden Konzerte in der Lanxess-Arena begeisterte der amerikanische Superstar 15 000 Fans. Der zweistündige Auftritt dokumentiert den Status des 33-Jährigen als größter Solo-Performer der Welt.

Konzert in Köln: Justin Timberlake feiert Mega-Party
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Justin Timberlake feiert Party in Köln

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Er hat einen längst gepackt, man sitzt ergeben da und staunt, und dann beginnt die Bühne zu wackeln. Die Hydraulik hebt sie über die Köpfe des Publikums, auf Schienen fährt das Ding mitsamt den Plexiglas-Showtreppen ans gegenüberliegende Ende der Halle. Er läuft darauf auf und ab, singt weiter, tanzt und macht alle wahnsinnig. Eine Handvoll Musiker ist mit ihm da oben, sie schlagen die Trommeln und lassen die Trompeten schreien. 15 000 Menschen kreischen und fotografieren, karibische Stimmung, und er singt "Conga" von der Miami Sound Machine. Das ist die Lanxess Arena in Köln, dort kann man dem derzeit größten Solokünstler der Welt beim Schweben zusehen: Justin Timberlake.

Der 33-Jährige begann seine Karriere als kindlicher Moderator im Micky-Mouse-Club, er gehörte in den 90er Jahren der Boygroup 'N Sync an, aber all das darf man getrost vergessen. Denn vorne steht ein gereifter Künstler, der den Begriff Entertainment zeitgemäß interpretiert, ein Könner und Verführer, ein Sinatra mit Beats. Timberlake rappt und schmeichelt, er spielt Gitarre und den weißen Flügel, singt "Heartbreak Hotel" von Elvis und "Human Nature" von Michael Jackson. Abende, die technisch brillant sind, haben auch Beyoncé und Lady Gaga an diesem Ort schon gegeben. Aber niemand hielt den Draht zum Publikum so kurz. Timberlake ist lässig, kein tanzender Imperativ wie so viele Kollegen aus der Superstar-Liga, die einem ein schlechtes Gewissen machen. Er zwinkert den Versammelten zu, reicht die Hand, lässt die Funken sprühen. Er weiß, dass Unterhaltung anregend sein soll, nicht desillusionierend, dass die Menschen gekitzelt werden möchten, nicht überrollt.

Und: Timberlake macht großartige Musik. Nur drei Alben hat er seit 2002 vorgelegt, jedes ist meisterlich arrangiert. Timberlake sucht sich stets die besten Zuarbeiter und Produzenten, von Pharrell Williams über Timbaland bis Jay Z. Er singt auf Beats, die so teuer sind wie luxuriös ausgestattete Yachten.

So viel Qualität zahlt sich bei Live-Aufführungen aus. Timberlake eröffnet mit "Pusher Love Girl". Man sieht zunächst nur seinen Schatten. Die Musiker sind als Big Band im Stil der 1920er Jahre verkleidet. Der Bühnenhintergrund erinnert an einen gewaltigen Bienenkorb. Sechseckige Waben, die später in allen Farben leuchten werden und vibrieren können wie die Membran einer Lautsprecher-Box. Timberlake tritt im Smoking auf die Bühne, verlegt sie nach Las Vegas, breitet den roten Teppich aus, knipst die Kristall-Leuchter ein. Dann unterbricht er das Lied, begrüßt die Fans und fragt, ob sie bereit seien für die Party. Er deutet Tanzbewegungen an, die man unwillkürlich mitmacht, weil das so zwingend aussieht, so natürlich in diesem Moment. Er kippt den Mikroständer, holt ihn mit dem Fuß zurück, gibt das Zeichen für den Bass und fängt das Lied neu an, nun tiefer gelegt, schwerer, schwüler, funkiger.

Timberlake orientiert sich musikalisch an Michael Jacksons Album "Off The Wall". Das ist der Fluchtpunkt, man spürt das in dem Song "Rock Your Body". Er leiht sich die Hitze, die Menschenfreundlichkeit, die positive Energie. Manchmal deutet er den Moonwalk an, wischt schwerelos über den Bühnenboden. Aber er hält das Vorbild zugleich durch Originalität auf Distanz. Man darf Timberlake nicht als Interpret fremder Autoren unterschätzen. Er schreibt zu großen Teilen selbst, und wie ambitioniert er ist, spürt man beim ersten Höhepunkt des Abends. Timberlake singt den wunderbaren Refrain des Songs "Holy Grail", in dessen Original er seinen Kumpel Jay Z locker gegen die Wand drückt. Es ist eine Ouvertüre, er lässt die Melodie nahtlos übergeben in seinen womöglich besten Song, "Cry Me A River". Im Hintergrund sieht man die monumentale Projektion eines Flusses, der von einem Wirbelsturm heimgesucht wird. Timberlake steigert die Intensität des Stücks. Er bewegt sich inmitten von fünf Tänzern. Schicht um Schicht legen die Musiker hinter ihm aufeinander: Bläser, Bass, Keyboards. Und auf dem Höhepunkt, als der Orkan die Filmlandschaft zerstört hat und man nur mehr Lichtblitze zucken sieht, tritt ein Gitarrist nach vorn und fährt mit der Sense durch die Liebeskummer-Hymne. Das Geschrei in der Halle ist enorm, im Lärm entlädt sich die Anspannung. Timberlake tanzt, den Po nah am Boden, wie vom Magneten gezogen. Mit einem Fingerschnippen ordnet er das Chaos, führt den Song zurück in die Spur, bringt ihn ans Ende.

Es gibt in der Mitte der zweistündigen Show eine Pause von zehn Minuten, und man weiß zu diesem Zeitpunkt nicht genau, wie er das alles übertreffen will. Doch dann beginnt die Nummer mit dem fliegenden Laufsteg. Timberlake singt "Senorita", "Tunnel Vision" und "Suit & Tie", verbeugt sich vor Elvis und Michael Jackson. Er läuft hinaus auf die Treppen, die fast bis ins Publikum reichen. Und plötzlich steht er vor einem, lächelt eine Armeslänge entfernt von der fahrbaren Bühne. Man würde sich gern bedanken und seinen Respekt bekunden. Aber da ist es schon zu spät.

Justin Timberlake muss weitermachen, immer weiter.

(felt)
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