Die Beginner im Interview "Das alte Feuer ist wieder da"

Köln · Deutschlands beste HipHop-Band ist zurück. Nach 13 Jahren erscheint am Freitag ein neues Album der Beginner. Ein Interview mit Eizi Eiz, Denyo und DJ Mad.

 "Advanced Chemistry" heißt das neue Album der Hip-Hop-Band Beginner.

"Advanced Chemistry" heißt das neue Album der Hip-Hop-Band Beginner.

Foto: dpa, sab

Die Beginner empfangen im Savoy-Hotel hinter dem Kölner Hauptbahnhof zum Interview. Sie sind gut aufgelegt. Denyo ist in Redelaune, Eizi Eiz ist konzentriert, DJ in sich gekehrt. Alles wie früher also.

Ich finde den Gegensatz vom harten Gzuz zum weichen Gentleman in "Ahnma" toll, und ich...

Eizi Eiz Genau darum geht's! Wir sind Fans von Gzuz und Haftbefehl und von vielen Rappern, von denen man nicht denken würde, dass wir sie gut finden. Und nur weil wir Fans sind und weil uns die neuen Künstler so elektrisierten, konnten wir überhaupt eine neue Platte machen. Wir hatten plötzlich einfach Bock darauf. Deshalb sind nicht nur die alten Homies dabei, sondern auch die neuen Leute.

Das haben viele Fans ja zunächst nicht verstanden.

Eizi Eiz Die haben sich im Netz darüber aufgeregt, was der Proll da macht: Was soll der Gzuz da? Die hören gar nicht genau hin, die wollen den gar nicht entdecken und können nicht sehen, wie derbe der rappen kann und wie geil dessen Stimme ist. Das ist schade. Und des halb freut es mich, wenn Du sagst, Du findest ihn gut. Genau so ist das gemeint. Was meinst Du, wie viele Rapper wir entdeckt haben, weil sie in Songs unserer Helden zu hören waren! Die hätten wir sonst nie mitgekriegt.

Ist Hamburg zurück auf der Deutschlandkarte des Rap?

Eizi Eiz Nach der ersten Hamburger Zeit 1999 kam erstmal weniger aus der Stadt. Da kam Berlin und danach Straßenrap. Und dann kam Straßenrap aus ganz Deutschland, der aber wie aus Berlin klingen sollte. In Hamburg ging wenig. Aber plötzlich war da eine Generation von Rappern, die wirklich Straßenrapper waren, weil sie im Gegensatz zu uns auf der Straße aufgewachsen sind. Das sind die Leute aus St. Pauli, das sind die Rattos Locos, von denen Nate 57 der bekannteste Rapper ist. Und da ist 187 Straßenbande. Die sind fast zeitgleich auf den Plan getreten und haben eigenständigen und wiedererkennbaren Rap mit eigener Hamburger Identität gemacht. Zum ersten Mal haben Straßenrapper wie Sido oder Bushido gesagt: Wow, krass, die feiere ich.

Wie wichtig ist Krass-Sein in der Sprache des Straßenrap?

Eizi Eiz Natürlich fallen da auch Worte, die in normalen bürgerlichen Kinderstuben nicht zu hören sind. Aber das hat Rap immer ausgemacht, und diese Worte fallen nun mal auf St. Pauli. Das ist halt so. Ich habe es immer geliebt, einem Rapper anzuhören, woher er kommt. Bei einem guten Rapper hörst Du nach zwei Takten, woher er kommt, wie er drauf ist und was er für ein Typ ist.

Woran erkennst Du das?

Eizi Eiz Einfach an seinem Dialekt, an seiner Wortwahl und an seinem Flow.

Im HipHop hat sich so viel getan. In "Es war einmal" singt Ihr über Eure alten Helden. Wie findet ihr, was aus HipHop geworden ist?

Denyo Es hat sich zum Positiven entwickelt. Es gibt viel mehr Vielfalt. Es gibt zig verschiedene Subgenres und Herangehensweisen, die alle für sich genommen toll und wertig sind. Und es gibt auch im Straßenrap sehr viel krass gute Rapper. Das habe ich vor ein paar Jahren noch vermisst. Die Skills sind jetzt da.

Kannst Du Künstler nennen, die Ihr bemerkenswert findet?

Denyo KC Rebell oder Nimo zum Beispiel. Von Haftbefehl ganz zu schweigen. Oder Megaloh. Der ist technisch viel besser als wir damals. Oder Die Orsons und Tua mit seinen Soundfrickeleien. Man kann sagen: Als Marteria 2010 sein Album "Zum Glück in die Zukunft" veröffentlicht hat, wurde Pop-Deutschland auf ein anderes Niveau gehoben. Ohne den Typen gäbe es die neue Generation von Denkweisen und Wortwitz gar nicht. Alles kann jetzt nebeneinander existieren, der Kuchen ist groß genug. Und genau das hat uns unser Feuer zurückgebracht.

Blickt Ihr auch nach Amerika? Da passiert auch viel. Kendrick Lamar öffnet den Rap zum Jazz, und...

Eizi Eiz Die neue Zeitrechnung, von der Denyo gesprochen hat, gilt genauso für Amerika.

Kennt Ihr Bryson Tiller?

Eizi Eiz Wen?

Bryson Tiller.

Denyo Sagt mir jetzt nichts.

Der performt wie ein R 'n' B-Sänger zu HipHop-Arrangements. Sehr erfolgreich in Amerika.

Eizi Eiz Häh? Das müsste ich doch kennen.

T-I-L-L-E-R

Denyo Checken wir auf jeden Fall mal aus. Ist aber auch egal. Das zeigt nur, dass sich echt was getan hat. Früher waren die Speerspitze Lil' Wayne und Co. Dann haben die Leute aufgehört zu sampeln. Es kamen die ersten Synthie-Beats, aber das klang noch zu sehr nach Preset, wie bei DJ Khaled und Co. Und zuletzt kam so viel neues Zeug wie Kendrick Lamar, Chance The Rapper und so. Und die haben es vorgemacht, sie könne es einfach, alles miteinander mischen. Alles war von da an erlaubt, EDM kam zum Beispiel in den HipHop. Die Genres wurden gesprengt. Und davon profitieren wir, das haben wir auch probiert auf dem Album.

Habt Ihr gemeinsam eine Platte im Studio gehört, die so etwas wie ein Vorbild ist. Im Sinne von: So wollen wir auch klingen?

Eizi Eiz Man hört viele Sachen, bevor man eine Platte macht. Man sammelt Inspirationen. Und genau so, wie wir textlich inspiriert wurden von der Dr. Dre-Platte aus dem vergangenen Jahr, wurden wir musikalisch inspiriert von Kendrick Lamar, vor allem vom Song "The Blacker The Berry". Da kommt irgendwann so ein Dancehall-Artist mit tiefer Stimme und fängt krass an zu singen: I said they treat me like a slave, cah' me black. Und dann kommt der Beat und lässt die Energie wieder los, und da denkst du: Genau sowas brauchen wir auch. Wir haben überlegt, wer das bei "Ahnma" machen kann, und in Deutschland kann das am besten Gzuz.

Ihr habt Lust auf deutsche Sprache, und Ihr macht Lust auf Sprache. Das fängt mit kleinen Spielereien wie dem Songtitel "Rambo No. 5" oder der Zeile "der Herr der Augenringe" an. Wie verläuft der Weg vom Kalauer zu tollen Zeilen wie "gestern war ich blau, heute seh ich schwarz" in dem Lied "Kater"?

Denyo Wir sagen: Komm, lass uns mal einen Song über den Kater machen. Jeder schreibt dann für sich. Jeder schreibt seine Strophen selbst. Und dann überlegen wir gemeinsam: Wo kriegen wir einen Abhol-Moment her oder eine gute Hook? Und diese Liebe zur Wortkreationen und das Herumspielen mit der Sprache sind die Gründe, warum ich die Platte machen wollte.

Wie kam es eigentlich zur neuerlichen Zusammenkunft?

Eizi Eiz Die Freundschaft ist immer da, und der Treibstoff ist Bock. Bock, auch sowas zu machen, was die neuen Rapper machen. Und dann merkt man, dass Bock alleine nicht reicht. Dann trainiert man und drillt sich hoch. Und so geht es an die Spitze. In Turnschuhen.

DJ Mad Es ist ja nicht so, dass wir in den letzten 13 Jahren nichts gemacht hätten. Denyo und ich sind ja fast jedes Wochenende zusammen und legen in Clubs auf.

Denyo Das ist Basisarbeit.

DJ Mad Und inzwischen wissen wir ja auch: Du kannst es nicht erzwingen. Du musst auch mal eine zeitlang leben, um auf Ideen zu kommen. Außerdem haben wir unsere Musikexpertise verfeinert. Alles, was wir seit der letzten Platte getan und erfahren haben, fand Eingang in das neue Album. Wir haben ein extrem gutes Bauchgefühl für die Melange, also für das, was draußen in der HipHop-Crowd gerade funktioniert. Wir haben eine gute Ausbildung, wir haben Gespür.

Denyo Wir hätten einfach ohne Album eine Abschiedstour machen können, die wäre auch so ausverkauft gewesen. Aber das wollten wir nicht. Wir wollten was Neues machen. Wir brauchen die Beginner nicht. Wir wollen sie.

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