Holsteins 100 Platz 4: "Satisfaction", Rolling Stones

Düsseldorf · Man muss sich zeitgenössische Aufnahmen der Rolling Stones ansehen, man sollte erleben, wie Mick Jagger dieses Lied in Schwarzweiß beginnt und am Anfang noch so brav aussieht in seinem Button-Down-Hemd und dem akkurat frisierten Pilzkopf.

Das Lied geht ja auch ganz freundlich los, aber bald ahnt man, dass da ein Wolf bloß auf den Sprung lauert, dass er erstmal Süßholz raspelt und das Schafsfell trägt, um sogleich den Zaun einzureißen und auszubrechen. Dann kommt der Refrain, und alles ist anders, alle Schranken werden überwunden, und von nun an sind der Körper Thema im Pop und der Sex. Und alle Unschuld geht flöten.

Die Beatles hatten der Welt das Königreich des Pop erschlossen, und die Stones elektrifizierten und vergifteten es. Sie legten Feuer und tanzten in den Trümmern. "Satisfaction" erschien im Mai 1965, und nach dieser Veröffentlichung war nichts mehr wie zuvor. Die Beatles hatten Lieder geschrieben, die man mit den Eltern hören konnte. Ihre Songs wurden von einem Keuschheitsgürtel zusammengehalten: "Komm, gib mir deine Hand". Die Stones sprengten ihn: "Lass uns die Nacht zusammen verbringen". Sie nahmen den Eltern den Pop weg und schenkten ihn der Jugend. Und sie taten es im ersten Refrain von "Satisfaction".

Mick Jagger steht in TV-Aufnahmen von damals zumeist einfach so da, aber zwischendurch bewegt er sich wie ein Raubtier, das sind nur vereinzelte Schritte, aber dazu leckt er sich über die Lippen, und in manchen Augenblicken ist da schon ein Hauch von "Sympathy For The Devil".

Dieser Kerl würde bald ohne Hemd auf der Bühne stehen und in engen Glitzerhosen. Er würde sich in den Schritt fassen und die Zunge herausstrecken, und er würde zeigen, wie schön es ist, verdorben zu sein. Er würde sich schminken, und der Junge, der jetzt noch ebenso akkurat frisiert neben ihm steht und in dessen Gitarrensaiten Jagger vom Schlagzeug getrieben wird, würde sich bald Gift in die Venen drücken. Gemeinsam würden sie die Jungs sein, sie die Menschen bis heute elektrisieren, die Jungs, die alles dürfen und sich alles nehmen, die ein Synomym sind für Alterslosigkeit und ewige Jugend.

"Satisfaction". Mick und Keith. Die Rolling Stones.

Hier finden Sie die komplette Liste. Unter #holsteins100 kann man bei Twitter Vorschläge machen und Kommentare senden.

(RP)
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