Diplomat mit Sonnenbrille am Keyboard Lob rockt mit deutschem Botschafter in Baku

Baku · Es war ein Auftritt mit Seltenheitswert. Am Mikrofon: Roman Lob, Deutschlands Hoffnung bei Eurovision Song Contest (ESC). Am Keyboard: Herbert Quelle, deutscher Botschafter in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku.

 Roman Lob wird gemeinsam mit Herbert Quelle, deutscher Botschafter in Baku, beim ESC auftreten.

Roman Lob wird gemeinsam mit Herbert Quelle, deutscher Botschafter in Baku, beim ESC auftreten.

Foto: dpa, Jörg Carstensen

Der Hof der Residenz des Spitzendiplomaten wurde zur Bühne, als beide Lobs Beitrag "Standing Still" intonierten - und 150 Zuschauer am Dienstag zu Beifallsstürmen hinrissen. "Wahrscheinlich war er auch nervös, vor so vielen Leuten und Kameras", schmunzelte Lob hinterher.

Quelle (58) hatte sich nicht nur auf den musikalischen Part vorbereitet. Er trat mit Stiefeln und Sonnenbrille auf, griff bei den Akkorden zu "Standing Still" nie daneben. Lob war sich der Ehre durchaus bewusst. "Staatlich geprüft" fühle er sich nach dem Auftritt mit dem Diplomaten, witzelte der 21-Jährige.

Politische Untertöne fehlten freilich nicht. Zu sehr steht der Kaukasus-Staat bei Menschenrechtsorganisationen in der Kritik wegen Übergriffen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten, auch wenige Tage vor dem Wettbewerb, Pressezensur und inhaftierten Oppositionellen. "Ich bin stolz darauf, Grundrechte hier vertreten zu dürfen", betonte Botschafter Quelle entsprechend, und jeder wusste, was gemeint war. So viel Aufmerksamkeit hatte das Land nicht vor dem ESC", sagte Lob, "jetzt gibt es eine Riesenchance".

Erst am Mittwoch erklärte die aserbaidschanische Reporterin Khadija Ismayilova in Berlin, die Situation der freien Medien habe sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert. Journalisten werden "systematisch entführt, erpresst und bedroht", berichtete sie auf einem Forum von Reporter ohne Grenzen. Als Ilham Alijew 2003 Präsident von Aserbaidschan wurde, sei die "Jagdsaison auf unabhängige Journalisten eröffnet" worden, sagte Ismayilowa. Seitdem sei kein einziger Übergriff auf Journalisten aufgeklärt worden.

Botschafter Quelle machte bereits seine eigenen Erfahrungen mit der gelenkten Presse des Landes. Zeitungen druckten sein Bild einmal neben dem von Adolf Hitler. "Privates Auftreten gibt es hier nicht." Aserbaidschan habe die "Menschenrechte in den vergangenen Jahren Schritt für Schritt abgebaut", sagte am Mittwoch in Berlin auch der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning.

Musikalisch wird es am Samstag für Lob beim ESC-Finale ernst.
Unter den 25 anderen Finalteilnehmern peilt er bei dem traditionsreichen Musikwettbewerb einen Platz in der Top-Ten an.

(APD)
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