Musik Deutscher Rap wird wieder politisch

Trotz langer Tradition hat politischer Rap in Deutschland zuletzt ein Schattendasein geführt. Bands wie Antilopengang oder Zugezogen Maskulin ändern das nun. Und K.I.Z. landen mit der neuen Direktheit sogar auf Platz eins der Charts.

Fans feiern auf dem Helene Beach Festival 2015 den Auftritt der Band K.I.Z.

Fans feiern auf dem Helene Beach Festival 2015 den Auftritt der Band K.I.Z.

Foto: dpa, ped bsc

Es ist wesentlich leichter, über große Geschlechtsteile zu rappen als über brennende Flüchtlingsheime. Denn Letzteres erfordert die Bereitschaft, unironisch für etwas einzustehen. Dabei waren es gerade K.I.Z., die auf brachiale Weise Ironie in den deutschen Rap brachten.

Als Mitte der 2000er Jahre die vier Berliner mit den französischen, ungarischen und spanischen Wurzeln auftauchten, stießen sie in der Öffentlichkeit auf Unverständnis. Mit "Das RapDeutschlandKettensägenMassaker" und "Böhse Enkelz" übersteigerte das Quartett die Mechanismen, mit denen der Gangsta-Rap der damals angesagten Aggro-Künstler funktionierte, ins Extrem. Es war nicht klar: Meinen die das ernst mit dem Sexismus, den verzerrten Männlichkeitsbildern, den unappetitlichen Gewaltfantasien?

Während diese Überzeichnungen in der Szene sofort viel Zuspruch fanden, dämmerte es der Öffentlichkeit erst allmählich, dass K.I.Z. mit ihrer Sprache und ihrem Auftreten dem Genre ein Spiegel vorhielten, es vielleicht sogar dekonstruierten.

Dabei scheuten sich K.I.Z. stets davor, sich von einer Seite vereinnahmen zu lassen. So hieß ein späteres Album "Sexismus gegen Rechts", ein Titel, der bewusst mit der Irritation des Falschen im Richtigen spielte.

K.I.Z. nutzten mit Ironie, Sarkasmus und Zynismus Stilmittel, die bei aller unterhaltender Provokation stets den Fluchtweg des "Ist-nicht-so-gemeint" offenhielten. Auf der neuen Platte "Hurra Die Welt geht unter" sind diese Doppeldeutigkeiten in der Minderheit.

Stattdessen finden sich dort Zeilen wie "Denkt ihr die Flüchtlinge sind in Partyboote gestiegen / Mit dem großen Traum im Park mit Drogen zu dealen?" oder "Macheten oder Gesetze, eins von beiden bringt mich um". Das sind konkrete Aussagen zu konkreten politischen Zuständen.

Natürlich war Rap immer schon politisch. HipHop-Kultur in Deutschland gibt es seit den frühen 80er Jahren. Rap wurde als eine Möglichkeit der Meinungsäußerung und Schilderung von Missständen verstanden. So recherchierten anfangs die Sons of Gastarbeita in Bibliotheken über Migrationsgeschichte und schrieben mit diesen Informationen ihre Lieder. Vorreiter des politischen Raps waren Advanced Chemistry mit "Fremd im eigenen Land".

Die Brothers Keepers, ein Verbund afrodeutscher Musiker, reagierten mit "Letzte Warnung" auf den von Neonazis verübten Mord an dem aus Mosambik stammenden Alberto Adriano. Zahlreiche weitere Namen wären zu nennen, Torch, Curse, Sookee, die sich in ihren Texten mit Homophobie und Rassismus beschäftigten, Blumio, der in seinen "Rap Da News" versucht, den Nahostkonflikt zu erklären. Wenn Haftbefehl verschiedene Sprachen zu einer verschmilzt oder Sido in "Mein Block" sein unmittelbares Umfeld beschreibt, dann wirft das Blicke in Lebenswirklichkeiten, die ansonsten nur selten öffentlich werden.

Und doch scheint es gerade jetzt ein besonderes Bedürfnis nach politischen Äußerungen im Rap zu geben. So thematisiert die Antilopengang in "Beate Zschäpe hört U2" die Verankerung des Rechtsextremismus in der bürgerlichen Mitte und untersucht dessen mediale Entstehung: "Zu Verschwörungstheorien gehören Vernichtungsfantasien / Sie können sagen, was sie wollen, sie sind schlicht Antisemiten / All die Pseudo-Gesellschaftskritiker / Die Elsässer, KenFM-Weltverbesserer / Nichts als Hetzer in deutscher Tradition".

Eine weitere Band, die einen klaren Standpunkt bezieht, ist das Berliner Duo Zugezogen Maskulin. Der Titel ihres Lieds "Oranienplatz" bezieht sich auf ein ehemaliges Flüchtlingscamp in Kreuzberg. Dort fanden Demonstrationen für die Änderung des Asylgesetzes statt. Im Lied heißt es: "Wo die Sambatruppe beim Kulturkarneval zwar klar geht / Doch sich Argwohn in den Blick legt / Wenn ein schwarzer Mann im Park steht."

In einer Zeit, in der viele Haltung in Metaformaten suchen wie der "heute"-Show, kann auch dem Rap wieder eine Bedeutung der Informationsvermittlung zukommen. Die Frage ist: Wie lassen sich Zusammenhänge vermitteln und Zustände kritisieren?

K.I.Z. versuchen wie auch die anderen Bands einen Spagat: eine ernste Aussage mit den Mitteln des Raps zu treffen, mit Wut und Witz zu sprechen, originell zu sein und ohne erhobenen Zeigefinger gesellschaftliche Widersprüche offenzulegen. Sie übertragen Missstände in einfach zu verstehende und oft nur schwer zu ertragende Erzählungen und machen den eigenen Standpunkt dazu klar. Sie sind politisch. Und das scheint im Deutschland des Jahres 2015 einen Nerv zu treffen.

(RP)
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