David Bowie Der König ist tot

Düsseldorf · David Bowie ist gestorben und damit der mutigste Solokünstler, den Pop je hatte. Als Maßstab kannte er nur sich selbst. Ein persönlicher Nachruf.

Eigentlich will man jetzt den ganzen Tag "Space Oddity" hören, das Lied aus dem Jahr 1969, das noch immer eines der schönsten von David Bowie ist. "Check ignition and may God's love be with you" heißt es darin, und man hätte ihm das gerne noch zugerufen, irgendwie.

<u>Der König ist tot, der größte Solokünstler der Welt lebt nicht mehr</u>, der mutigste Musiker, den Pop je hatte. Es gab niemanden, der es geschafft hat, über fünf Jahrzehnte hinweg relevant zu bleiben, dem es immer wieder gelungen ist, das Neue zu finden und in die Welt zu tragen. So viel Energie hatte der Mann, so viel Zuneigung zur Gegenwart und also zu uns.

Er hat die Farbe in den Pop gebracht, und seine Lehre lautete, dass es egal ist, als was du geboren wurdest: Du kannst selbst entscheiden, wer du sein willst! Werde, wer du bist! Das Leben ist eine Illusion, aber eine schöne, also bring sie zum Glitzern! Um zu begreifen, wie groß der Einfluss David Bowies war, wie stark diese Künstlerpersönlichkeit wirkte, braucht man nur Interviews mit Bryan Ferry zu lesen, mit Madonna, Morrissey, Radiohead oder Lady Gaga: Sie alle sagen, dass es Bowie war, der sie inspiriert hat, der sie zu dem gemacht hat, was sie wurden.

Die Diffusion war sein Stilprinzip, er erfand für jede neue Veröffentlichung eine andere Bühnenfigur, er war immer in Bewegung, er tanzte im Spiegelkabinett mit seinen Identitäten. Und wenn man nach dem Schock, den diese Todesnachricht ausgelöst hat, wieder zu denken beginnt, wird einem ganz anders: Da ist ja jetzt niemand mehr.

David Bowie - Bilder aus seinem Leben
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Foto: afp, KG/bb/RAB

Bowie war sozusagen das Rückgrat des Pop, der Grund für alles, das Fundament, mit dem man all den Wahnsinn erklären konnte, der in den Konzertarenen tobt. Der Fluchtpunkt all dessen ist nun fort. Dieser Abschied tut weh, sowieso, aber auch überhaupt und unbedingt. Er ist wirklich tot, und wir stehen verloren herum. "You've really made the grade", singt Bowie in "Space Oddity".

Die Alben, die er in den 70er-Jahren veröffentlichte, "Ziggy Stardust", "Station To Station" und "Low" vor allem, gehören mit dem Gesamtwerk der Beatles zu den einflussreichsten Werken der Rockgeschichte. Spuren davon kann man noch in der aktuellen Pop-Produktion nachweisen, und das Großartige war, dass Bowie damals nur sich selbst als Maßstab kannte, das eigene künstlerische Empfinden. Er produzierte völlig an den Erwartungen und Forderungen seiner Plattenfirma vorbei. Die legendäre Trilogie etwa, die er in Berlin einspielte, und zu der auch das Album "Heroes" gehört, war unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ein Flop.

2004 erlitt er hinter des Bühne des Hurricane-Festivals beinahe eine Herzattacke, er musste notoperiert werden. Danach hörte man fast zehn Jahre nichts mehr von ihm, bis er 2013 das Album "The Next Day" ins Internet stellte. Einfach so, ohne Ankündigung, und auch damit setzte er Maßstäbe, denn wer heute etwas auf sich hält, macht es ebenso und hofft auf einen ähnlichen Überraschungseffekt. Die Platte hatte zwar eine grandiose Single, war ansonsten aber nur halbgut. Aber sie wurde auf der ganzen Welt hymnisch besprochen, und es war ein bisschen so wie mit einem guten Freund, der unverhofft heimkehrt: Es ist total egal, was er macht, er ist ein Freund, und er ist wieder da.

Am vergangenen Freitag ist dann "Blackstar" erschienen, das beste Bowie-Album seit mehr als 20 Jahren, ein ambitionierter Ritt durch die Trademark-Sounds seiner verschiedenen Karrierephasen. Es war ein Geschenk zu seinem 69. Geburtstag, ein Geschenk an uns, eine letzte Gabe, sein Vermächtnis, die Endstation auf dem Rückflug.

Er war nicht zu fassen, man konnte ihn nicht greifen, und deshalb hat man ihn so verehrt. "The Stars look different today", heißt es in "Space Oddity". David Bowie ist tot. "Planet Earth is blue / And there's nothing I can do."

Unser Autor hat für unsere Leser seine Top-10-Bowie-Songs zusammengestellt. Sie können Sie sich bei Spotify anhören.

(hols)
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