Brian May im Interview "Freddie war mein Bruder"

London · Queen-Gitarrist Brian May (68) spricht im Interview mit unserer Redaktion über die alten Zeiten mit Freddie Mercury, seine Doktorarbeit in Astrophysik und die Unendlichkeit.

Das ist Brian May
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Viele fragen sich, ob denn der neue Sänger von Queen auch gut sei. Das ist aber genau genommen völlig egal, denn die britische Rockband sieht man sich nach dem Tod Freddie Mercurys 1991 in erster Linie an, weil man einen der besten Gitarristen der Welt erleben möchte. Er heißt Brian May, und sein Solo in dem Stück "Killer Queen" aus dem Jahr 1974 ist für die Ewigkeit. Der inzwischen 68-Jährige hat "We Will Rock You" geschrieben, "Who Wants To Live Forever" und "I Want It All".

Vor kurzem beendete er seine Doktorarbeit im Fach Astrophysik, die er wegen seiner Rock-Karriere liegengelassen hatte. Seine berühmten Locken sind inzwischen so weiß wie die Perücken der Richter an den Royal Courts of Justice. May sitzt in einer Suite des "Mandarin Oriental Hotel" am Hyde Park in London. Er wirkt tiefenentspannt, als komme er gerade vom Meditieren aus dem Ashram. Das schwarze Seidenhemd steht weit offen, man kann den Anhänger der goldenen Halskette in seinem Brusthaar glitzern sehen: Palmenblatt oder indianischer Federschmuck? Genau erkennt man es nicht, und man will ja nicht glotzen. Der Engländer trägt weiße Adidas-Schuhe mit goldenen Streifen. Er spricht ruhig, und er bewegt den Kopf sachte vor und zurück.

Mr. May, wie soll ich meinem sieben Jahre alten Sohn erklären, was Unendlichkeit ist?

May Sie bitten ihn, die größte Zahl zu nennen, die er kennt. Und dann nennen sie eine höhere Zahl und sagen: Egal, welche Zahl Du nennst, es gibt immer eine größere. Da ist einfach kein Ende, man kommt nie irgendwo an. Das ist Unendlichkeit.

Gibt es Geräusche im Kosmos? Oder ist es dort still?

May Die Sterne vibrieren, und dabei machen sie Geräusche. Klangwellen sind Druckwellen, und ein Freund von mir macht sie mit einer ziemlich aufwendigen Maschine hörbar.

Wie klingen Sterne?

May Jeder Stern hat seinen eigenen Klang. Man kann das mit elektronischer Musik vergleichen. Es ist repitetiv, der Ton verändert sich nur selten. Und wenn, dann nur minimal. Ein bisschen wie Techno.

Der berühmte Liedtitel stimmt also: "God is a DJ"?

May (lächelt nachgiebig)

Glauben Sie an Gott?

May Sagen wir so: Ich glaube an die Möglichkeit Gottes. Ich denke, dass wir nicht klug genug sind, um zu wissen, ob es Gott wirklich gibt. Dafür wissen wir zu wenig über das Universum. Wir dürfen uns nicht anmaßen zu sagen, es gebe Gott. Wir können es nämlich nicht beweisen.

Man kann glauben, ohne zu wissen.

May Man glaubt, was man glauben will.

Oder das, was man braucht.

May Darauf können wir uns einigen. Es könnte sein, dass es Gott gibt.

Wie sind Sie in der großen Zeit von Queen in den 70er und 80er Jahren in Kontakt geblieben mit der Wissenschaftswelt?

May Ich habe viel gelesen, Fachaufsätze und so etwas. Und ich habe Freunde, die Wissenschaftler sind. Aber um ehrlich zu sein, bin ich erst in den 90er Jahren wieder richtig eingestiegen. Patrick Moore, der Vater der populären Astrophysik in England, wurde damals so etwas wie mein Pate. Er sagte: Du hast Deine Doktorarbeit nicht zu Ende gebracht. Mach das doch jetzt. Ich antwortete, das könne ich nicht, mein Gehirn sei verkümmert. Ich habe das irgendwann im Fernsehen erzählt, und dann bekam ich eine E-Mail vom Imperial College in London: Wenn ich meine Doktorarbeit beenden wolle, sei ich herzlich willkommen. Sehr ungewöhnlich. Na ja, und nun bin ich Dr. Brian May.

Haben Sie direkt Ihre Visitenkarten ändern lassen?

May Ja.

Nein, ehrlich?

May Ich bin sehr stolz auf meine Doktorarbeit. Jeder, der sein Blut und seinen Schweiß für solch einen Titel gegeben hat, wird das nachvollziehen können.

Es gibt diesen berührenden Videoclip zu "These Are The Days Of Our Lives" von 1991. Freddie Mercury ist von der Krankheit gezeichnet. Können Sie sich das ansehen, ohne zu weinen?

May Er war mein Bruder. Ich habe ihn fast jeden Tag gesehen. Ja, wenn ich mir diese Bilder ansehe, ist es unheimlich hart. Zugleich fühle ich aber auch große Freude und Stolz. Weil wir so viel gemeinsam erlebt haben, erleben durften. Und weil wir Freunde waren.

Sie nennen ihn Bruder?

May Er war wie ein Bruder. Wie ein Familienmitglied. Wir hatten eine sehr enge Beziehung. Ich habe keinen eigenen Bruder, aber als Freddie starb, wusste ich, wie es sich anfühlt, einen Bruder zu verlieren.

Ich frage mich immer, wie Bands mit vier oder fünf starken und kreativen Persönlichkeiten arbeiten können, ohne die ganze Zeit zu streiten.

May Wir haben die ganze Zeit gestritten! Der Trick ist, trotzdem zusammenzubleiben. Jeder muss seine Talente einbringen dürfen. Du musst eine Balance finden. Die meisten Bands scheitern, weil sie sich zu früh trennen und diese Balance gar nicht finden können.

Was ist Ihre intimste Erinnerung an Queen?

May Am Anfang waren wir sehr arm. Wir flogen damals zu einem Konzert nach Australien, und wir reisten Economy Class. Es dauerte 30 Stunden, wir waren bei der Ankunft in einem fürchterlichen Zustand. Freddie und ich teilten uns ein Hotelzimmer, und die Damen, die uns dort besuchten, begrüßten wir gemeinsam. Das war intim.

Seitdem ist viel Zeit vergangen. Heute sind Sie ständiger Gast im englischen Unterhaus. Was tun Sie dort?

May Kämpfen.

Für was?

May Für Tiere. Wildtiere vor allem. Das Ministerium kümmert sich nur um Nutztiere, aber wilde Tiere haben keine Lobby. Weil man mit ihnen kein Geld verdienen kann. Warum ist das so? Warum denken wir, wir sind so viel bedeutender als Füchse? Als Wissenschaftler kann ich das vor mir nicht rechtfertigen. Wir missbrauchen diese Tiere, und die Tiere können sich nicht wehren. Wir haben das Bewusstsein dafür verloren, dass jedes Lebewesen zählt. Ich kämpfe für Respekt.

Sie sind Politiker?

May Nein, auf keinen Fall. Ich bin nur Lobbyist.

Stellen Sie sich vor, bei der nächsten Fußball-WM besiegt Deutschland England im Endspiel mit 3:2 . Ist es okay, wenn wir dann "We Are The Champions" singen?

May Aber ja. Das Lied ist international. Es ist kein nationalistischer Song. Es gehört allen, auch Ihnen.

(hol)
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