Interview mit Patricia Kaas "Alain Delon nennt mich seinen Diamanten"

Frankfurt · Die französische Sängerin Patricia Kaas spricht über Freundschaften mit berühmten Männern, ihre schwierige Vergangenheit und das neue Album.

Interview mit Patricia Kaas: "Alain Delon nennt mich seinen Diamanten"
Foto: dpa / Sven Hoppe

Sie rauscht ins Foyer, sie hat sich verspätet, und sie ruft: "Eine Cola! Ich brauche Zucker." Das Wort Cola spricht sie mit Betonung auf dem A aus, und das klingt ziemlich gut. Patricia Kaas legt den Pelzmantel mit viel Schwung ab, darunter trägt sie ein Kleidungsstück, das eine Mischung aus Hemd, Mantel und Schlafanzug ist. An den Füßen hat sie wollene Ringelsocken und weiße Turnschuhe, mit denen man aber nicht turnen kann, weil sie hinten offen sind wie Pantoffeln.

Wir sind in Frankfurt, das Hotel "Roomers" wirkt sehr cool und ist arg dunkel. Der Bartender trägt einen auffallend gepflegten Bart und würde wohl lieber in einem Barber Shop arbeiten. Als man ein Heineken-Bier bestellt, entgegnet er: "Ich könnte Dir ein Tannenzäpfle bringen." Auch gut. Mademoiselle Kaas, Tochter einer Deutschen und eines Franzosen und für die Bühne entdeckt von Gérard Depardieu, hat soeben ein neues Album veröffentlicht. Eine Europatournee steht bevor, viel Stress also. "Ich hasse das", sagt sie, "früh aufstehen, der Stau und so." Sie spricht gut Deutsch, und wenn man ihr zuhört, freut man sich über jedes Wort, das mit einem T endet, an diesen Buchstaben hängt sie nämlich stets ein gehauchtes Ö - sehr französisch. Beginnen wir? Kaas streicht eine Haarsträhne hinter das Ohr und nickt: "Voilá."

Schön, Sie zu sehen.

Kaas Sie meinen: das, was von mir übrig ist.

Ach, was. Sie sind mit zwei Männern befreundet, die ich toll finde: Alain Delon und Jeremy Irons.

Kaas Alain, jaja. Er ist sehr wechselhaft. Es gibt diese Momente, wo er mit sich selbst nicht im Reinen ist. An seinen Geburtstagen zum Beispiel. Da spricht man ihn besser nicht an.

Wie meldet sich Alain Delon, wenn er anruft?

Kaas Er nennt mich seinen Diamanten. Manchmal ruft er an, wenn er mich im Fernsehen sieht. Manchmal kommt er auch zu meinen Konzerten. Als ich "Cabaret" gesungen habe, hat er sich vor mir hingekniet. "Schau mir in die Augen", sagte er. Er kannte ja Marlene Dietrich, und er hat mir ein Autogramm geschenkt, das sie ihm gab. "Für meinen Freund Alain", hatte sie darauf geschrieben. Und er schrieb nun darüber: "Für meinen Diamanten".

Das ist charmant.

Kaas Auf meiner Tournee mit Piaf-Liedern kam ich abends in meine Garderobe, und es war ein Ritual, dass ich mich dort auf den Boden warf. Mein Hund Tequila legte sich dann neben mich und streckte die Pfoten in die Luft. An einem Abend stürmte Alain in die Garderobe, er klopft ja nie an. Er sah uns, stutzte - und legte sich zu uns.

Mit Jeremy Irons haben Sie bei den Filmfestspielen in Cannes Händchen gehalten. Macht man das so, wenn man aus Paris kommt?

Kaas Man macht das so in Cannes. Ach ja, Jeremy. Es war angenehm mit ihm. Aber auch schwierig.

Warum?

Kaas Er ist ja verheiratet, und es gab diese Story, dass wir zusammen wären. Und da sagte er, das sei problematisch für ihn.

Sie besaßen eines der berühmtesten Tiere im Showgeschäft, der Name fiel eben schon: Malteser-Hündin Tequila. Vor kurzem ist sie gestorben. Das hat Sie sehr erschüttert, oder?

Kaas Tequila war wie ein Mensch für mich. Ihr Tod fühlte sich ein bisschen an wie damals der Verlust meiner Mutter. Es gibt Leute, die das komisch finden, aber das ist mir egal. An Tequila habe ich mich festgehalten. Sie starb während der Tournee, und danach habe ich wie ein Soldat weitergemacht.

In Ihrer Autobiografie schreiben Sie viel über Verluste. Erst starb Ihre Mutter, dann Ihr Vater. Sie verraten, dass sie abgetrieben haben, Männergeschichten endeten in großem Schmerz. Warum diese Offenheit?

Kaas Ich bin generell ziemlich diskret. Aber ich hatte eine Ghostwriterin, Sophie Blandinières, und da ergab sich so ein Gespräch zwischen zwei Frauen. Ich habe einfach über die Dinge gesprochen, die für mich wichtig sind. Und indem ich sie ausgesprochen habe, habe ich sie besser verstanden. Ich wollte, dass man weiß, warum ich melancholisch bin. Die meisten denken ja: Die hat Erfolg und Geld, und deshalb fehlt ihr nichts. Aber das stimmt nicht. Mir hat das Buch sehr gutgetan. Ich habe die Trauer immer verschoben. Und eines Tages war ich müde, und die Schultern waren nicht mehr breit genug für all das Zeug, und dann musste es raus.

Sind Sie denn jetzt froh?

Kaas Ja. Früher kam ich nach Hause und habe gedacht: Die Hülle ist schön, aber was ist drin? Dann habe ich Hilfe gesucht, und man hat mir geholfen. Nun ist es besser. Ich habe einen neuen Start gewagt in mein Leben. Ich nehme es leichter. Ich möchte, dass heute alles ein bisschen einfacher ist.

Auf dem neuen Album hat mich der Anteil an Akustik-Stücken verblüfft.

Kaas Das liegt daran, dass der britische Songwriter Fink einige Stücke produziert habe. Ich mag ihn sehr, und ich habe ihn über Facebook gefragt, ob er mit mir arbeiten möchte. Die anderen Stücke wurden von Jonathan Quarmby eingerichtet, der auch das Album von Benjamin Clementine produziert hat.

Sie schreiben nicht selbst, und als reine Interpretin sind sie auf gutes Material angewiesen. Wonach wählen sie aus, wem sie Ihre Stimme leihen?

Kaas Manchmal gefällt mir ein Text, manchmal eine Atmosphäre. Die Lieder müssen zu mir passen, zu meiner Lebensphase. Ich werde bald 50, ich mache mir viele Gedanken über das Leben. Und so singe ich auch ein Lied über Gewalt gegen Frauen. Für mich ist ein Chanson eine Mischung aus allem, was ich gerne höre und was mich berührt. Und es muss aktuell sein.

Welche Musiker mögen Sie?

Kaas Anna Calvi, Lana Del Rey. Auch Adele. Das würde mir gefallen, mit ihr zu singen. Und ich habe gerade Sting gesehen, bei der Wiedereröffnung des Bataclan.

Wie war es?

Kaass Sting ist ideal für diesen Anlass. Er ist Rock, aber sehr subtil. Er ist elegant in dem, was er tut. Furchtbar war nur, dass so viele im Publikum gefilmt haben. Die ganze Zeit! Und es war nicht journalistisch oder so, es ging dabei nur um Likes bei Facebook, das verstehe ich nicht. Dabei sind Konzerte so wichtig, erst dort entdeckt man, was ein Künstler wirklich ist.

Welches Lied möchten Sie unbedingt noch singen?

Kaas "Hallelujah" von Leonard Cohen.

Mit Patricia Kaas sprach Philipp Holstein.

(hols)
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