Serie "Neben der Spur" (5) Mit dem Segen von Kirche und Autobahn

Drolshagen · Umgeben von der A 4 und der Sauerlandlinie tobt um Drolshagen der Verkehr. Es sind auch die Lebensadern des sauerländischen Ortes.

Serie "Neben der Spur" (5): Mit dem Segen von Kirche und Autobahn
Foto: Ferl

Nur so zur Orientierung: Vor uns plätschert der moderne Marktbrunnen, rechts sind ein paar Tische vor der Eisdiele "San Remo" besetzt, und links beschirmt - natürlich - die mittelalterliche Kirche von St. Clemens den Platz. Warum "natürlich"? Weil St. Clemens aus fast jeder Gasse Drolshagens zu sehen ist - und wenn es nur ein Fitzelchen der Kirchturmspitze ist.

Auf die Kirche geht ja fast alles hier zurück. Der Kölner Erzbischof Anno II. (1010-75) soll einen der Vorgängerbauten geweiht und dem damaligen Dorf auch damit Leben eingehaucht haben. Etwas später kam auf Rufweite noch ein Zisterzienserinnenkloster dazu, in das gerne unverheiratete Töchter des Adels gesteckt wurden. Das Hauptgebäude steht noch und beherbergt nach aufwendiger Restaurierung jetzt die Bauverwaltung sowie ein schmuckes Trauzimmer.

Die Kirche aber hat es bis ins Wappen des Städtleins geschafft: So gehen die zwei gestürzten Anker - ein absurdes Symbol für einen Ort im südlichen Sauerland - auf den geheiligten Stadtpatron Clemens zurück.

Wer Drolshagen kennenlernen will, muss sich vom Marktplatz nicht unbedingt entfernen. Weil über kurz oder lang Drolshagen dort zu einem kommt. Wie Klaus Strugalla vom Heimatverein, der aus Breslau stammt und in Drolshagen seine neue Heimat fand. Den Verein gibt es aus Protest, sagt Strugalla. Das war damals, Ende der 1970er, als Drolshagen endlich richtig modern werden wollte und haufenweise mondäne Flachbauten aus Beton die alten Fachwerkhäuser abräumen sollten. Es wäre die zweite brachiale "Flächensanierung" geworden nach dem Großbrand von 1838. Der hatte damals das Örtchen in Schutt und Asche gelegt. Spuren der Feuersbrunst finden sich noch: mit den Bronzeplatten auf den Gehsteigen und dem merkwürdigen Straßengrundriss. Denn Drolshagen hatte beim Wiederaufbau den rechten Winkel für sich und seine Gassen entdeckt.

An unserem Marktbrunnen treffen wir sogar "biblische Gestalten": Der Theologe Hubertus Halbfas hat nicht nur die Heilige Schrift kommentiert herausgegeben und zahlreiche religionspädagogische Werke unters wissbegierige Volk gebracht, er ist auch gebürtiger Drolshagener und als Ruheständler ins Elternhaus zurückgekehrt. So gibt es für den Nachmittag eine Einladung beim Theologen. Auf ein Wässerchen. Und zum Bücher schauen. Darunter auch ein ganz frisches: "So bleib doch ja nicht stehn" heißt die gerade erschienene Autobiografie des 83-Jährigen auf über 400 Seiten.

An gläubig klugen Köpfen hat es Drolshagen nie gemangelt: Der Religionspädagoge Heinrich Bone stammt von hier, die Ordensfrau Emile Engel, der Theologe Rupert Lay, der Paderborner Dompropst Heinrich Wigger. Aber nicht nur deswegen steigen wir hoch in den Kirchturm von St. Clemens. Auch der Glocken wegen. Zehn von ihnen hängen im Turm; das ist eine Kuriosität für viele und zugleich der pompöse Stolz der gut 12 000 Drolshagener.

Die Welt vom Kirchturm aus betrachtet erscheint heil und hübsch geordnet. Auch verleitet der Weitblick zur kleinstädtischen Inventur: 57 Ortschaften hat Drolshagen; kleine und ganz kleine darunter; außerdem fünf Blasorchester, 15 Chöre und acht Schützenvereine. In einem davon macht auch Theo Hilchenbach mit - in der St. Josef-Schützenbruderschaft Berlinghausen. Wer in Drolshagen lebt und nicht Mitglied in einem der Vereine sei, gelte mehr oder weniger als Outlaw, sagt der 64-Jährige und lacht dazu mit einer Herzlichkeit, die den Ernst hinter allem Frohsinn verrät.

Hilchenbach ist gebürtiger Drolshagener, steht der südsauerländischen Kleinstadt seit über zwei Jahrzehnten vor und ist damit der dienstälteste Bürgermeister im Kreis Olpe. Ein Christdemokrat, was nicht mehr selbstverständlich ist. Die Zeiten haben sich geändert, sagt er. Dem lässt sich getrost zustimmen, auch wenn der Epochenwandel mit allen postmodernen Paradigmenwechseln in Drolshagen doch lieblicher ausfällt. Zwar ist die CDU in der Stadtverordnetenversammlung noch immer stärkste Kraft, allerdings ohne absolute Mehrheit. Die SPD und die Unabhängige Drolshagener Wählergemeinschaft haben jeweils fünf Sitze, die Unabhängige Christliche Wählergemeinschaft vier.

Draußen gleich vor der Bürgermeistertür führt die Hagener Straße vorbei. Ein wichtiger Handelsweg seit über 200 Jahren und noch aus kurkölnischer Zeit. Heutzutage herrscht hier gottverlassene High-Noon-Atmosphäre - morgens und mittags und abends. Und es ist nicht so, dass man längere Zeit unbeobachtet bliebe, wenn man durch den Ort schlendert.

Die rasende Welt liegt vor den Toren der Stadt. Bis zu 70 000 Fahrzeuge rauschen Tag für Tag an Drolshagen vorbei - auf der Sauerlandlinie und der A 4. Die Autobahnen sind kein Fluch des Städtchens, sondern ihr Segen. Drei eigene Autobahnausfahrten hat Drolshagen, sagt Hilchenbach. "Ohne die lägen wir im tiefsten Dornröschenschlaf." Und damit es mit dem Lärm nicht zu arg wird, hat die Kommune Schutzwände auf eigene Kosten gebaut. Die beiden Autobahnen sind die Lebensadern einer Stadt, die nicht im Zentrum, aber zumindest am wichtigen Wegesrand liegt.

"Willkommen in Drolshagen" ist am Ortseingang konventionell beschildert. Und gleich darunter die Verlockung: "Über 500 kostenlose Parkplätze".

(RP)
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