Hamburg Mit Aladdin in die Schatzkammer

Hamburg · Mit der neuen Produktion könnte Stage Entertainment nach einigen Pleiten im Musical-Geschäft wieder Erfolg haben.

Drei Wünsche frei zu haben wie sein jüngster Musical-Held "Aladdin" in Hamburg: Selbst ein Joop van den Ende hätte dieses Angebot des Dschinni, jenes berühmten Geistes aus der Wunderlampe, kaum ausgeschlagen. Nicht, dass es der 73-Jährige nach Verkauf seiner Anteile an der niederländischen TV-Produktionsfirma Endemol vor bald zwei Jahrzehnten finanziell noch nötig hätte: Als Milliardär hat er persönlich ausgesorgt. Doch mit seiner großen Liebe, dem Musical-Geschäft seiner Stage Entertainment (SE), will es nicht recht vorangehen: International erwirtschaftete der Konzern zuletzt einen Umsatz von rund 500 Millionen Euro, in Deutschland - dem Hauptstandbein mit zwölf Theatern - waren es im Geschäftsjahr 2014/15 rund 333 Millionen Euro. Größenordnungen, in denen sich der Umsatz bereits vor einem Jahrzehnt bewegte - dabei sind seither die Ticketpreise drastisch in die Höhe geschnellt.

Da mag auch ein Geschäftsmann wie van den Ende ins Träumen gekommen sein, als der Holländer bei der Premiere im Stage Theater Neue Flora in die von Edelsteinen und Gold blitzende und funkelnde, glänzende und gleißende Bühnenhöhle blickte: Eine wahre Schatzkammer eröffnete sich den Besuchern. Und das nicht nur in puncto Ausstattung. Denn die berühmte Geschichte vom Straßendieb Aladdin, der in der Stadt Agrabah auf die Prinzessin Jasmin trifft und sie - Dank seines großen Herzens und den Zauberkräften des Wunderlampen-Geistes Dschinni - nach allerlei Abenteuern am Ende heiratet, hat auch sonst das Zeug zum Hit. Weil Produzent Thomas Schumacher um die Elemente weiß, die ein Musical so richtig (auf)leben lassen: Rhythmus, Tanz und Bewegung. Zweieinhalb temporeich und schmissig inszenierte Stunden voller Farbenpracht, Steppschritten und Pyrotechnik - und dass der fliegende Teppich vor einem nächtlichen Sternenhimmel tatsächlich über die Bühne schwebt, sorgt nicht nur bei den jüngsten Besuchern für Begeisterung.

Nach mancher Pleite in der Vergangenheit ("Schuh des Manitu", "Titanic") und hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Produktionen wie "Ich war noch niemals in New York" könnte sich das Disney-Stück "Aladdin" zu einem ähnlich ertragreichen Hit entwickeln wie "Der König der Löwen": Beiden liegt ein Kino-Blockbuster zugrunde, beide sind familientauglich. Offenbar ein Erfolgsrezept, das bei der Premiere auch Ivo Lurvink aufmerksam verfolgt haben dürfte: Der Holländer ist einer der Partner bei CVC Capital - einem Finanzinvestor, der vor kurzem 60 Prozent des SE-Anteils von Unternehmensgründer van den Ende übernommen hat. Über 70 Milliarden Dollar schwer ist das in Luxemburg beheimatete Unternehmen und zählt zu jenen "Heuschrecken", über die der damalige SE-Geschäftsführer Johannes Mock-O'Hara noch vor ein paar Jahren sagte: "Es ist ein großer Vorteil, dass wir nicht an der Börse notiert sind und keine Private-Equity-Gesellschafter haben."

Wohl wissend, dass es diesen kaum um Kultur, sondern allein um Risikominimierung und Gewinnmaximierung geht. "Private Equity-Investoren regieren knallhart durch und trimmen ihre Beteiligungen auf Profit - um diese dann nach ein paar Jahren wieder mit Gewinn zu verkaufen", sagt ein Kenner der Szene. Ein Geschäftsgebaren, das nicht zu van den Endes propagierter Musical-Leidenschaft passen will. Doch die Zeiten ändern sich für den Musical-Tycoon - müssen sich ändern. Denn der wirtschaftliche Stillstand der SE kann selbst einen Milliardär auf Dauer kaum zufriedenstellen. Und da der wichtige deutsche Markt offenbar keine Wachstumschancen mehr bietet - "Der Markt hat inzwischen eine Sättigungsgrenze erreicht", sagt nicht allein Jürgen Schmude, Professor für Wirtschaftsgeographie und Tourismusforschung - bleibt nur eine weitere internationale Expansion.

Hier kommt neben CVC Capital Partners der weltgrößte Unterhaltungskonzern ins Spiel: Disney+, bereits jetzt Lizenzgeber für die SE-Produktionen "Aladdin" und "König der Löwen". Peinlich genau achten die US-Amerikaner darauf, dass ihre Vorgaben erfüllt werden, Aufführungen nah an der Ur-Version vom Broadway liegen. Was für die Lizenznehmer den Vorteil hat, dass sie ein Erfolgsrezept übernehmen und - wie in Hamburg - auch musikalisch darauf setzen können, dass die zwar nicht sonderlich originellen melodischen Einfälle Alan Menkens doch tragfähig genug sind für die temporeiche Show und märchenhafte Bühnenstimmung.

Eine Garantie, die sich Disney wie andere Lizenzgeber teuer bezahlen lassen: Bis zu 25 Prozent der Einspielerlöse sind üblich. Eine stattliche Summe, die ein Lizenznehmer wie die Stage erst einmal erspielen muss. Was Gerüchten neue Nahrung gibt, die seit längerem kursieren: Dass Disney bei der SE einsteigt und van den Ende die verbliebenen 40 Prozent abkauft - um in ein paar Jahren auch die CVC-Anteile zu übernehmen. Denn für die US-Amerikaner ist das Geschäft mit den Emotionen selbst ohne Aladdins Schatzkammer und den Wunsch-Erfüller Dschinni lohnend: Schließlich halten sie an zahlreichen Erfolgsmusicals die Lizenzen.

(RP)
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