Seoul Maschine besiegt südkoreanischen Go-Meister

Seoul · Dieses Duell ist mehr als der gewöhnliche Kampf zwischen Mensch und Maschine. Ein Computer aus dem Google-Imperium misst sich beim Brettspiel Go mit Lee Sedol. Der Südkoreaner zählt zu den besten fünf Spielern der Welt. Morgen wird die fünfte Partie enden. Doch die künstliche Intelligenz liegt bereits uneinholbar vorn. "AlphaGo" von Google DeepMind konnte die ersten drei Spiele gewinnen, der populäre Go-Profi bislang nur eine.

Doch dieser Kampf hat viele Dimensionen. Das Google-Imperium liefert ein weiteres Beispiel, zu welchen außergewöhnlichen Leistungen Software-Algorithmen mittlerweile fähig sind. Während Schach aus der Sicht eines Computers noch ein vergleichsweise einfaches Spiel ist, stellt das vermutlich 2500 Jahre alte asiatische Brettspiel selbst Großrechner vor Probleme. Die Zahl der Möglichkeiten ist unüberschaubar, eine Partie Go lässt sich nicht vollständig vorausberechnen.

Gespielt wird auf einem Liniengitter, das von einem Brett mit 19 mal 19 Feldern gebildet wird. Die beiden Spieler legen immer abwechselnd schwarze und weiße Steine auf die Kreuzungspunkte der Linien. Am Ende gewinnt derjenige, der mit seinen Steinen die größte Fläche umrandet hat. Das ist viel schwieriger abzuschätzen, als wenn ein Computer zur Attacke auf den gegnerischen König ansetzt. Diese Komplexität des Spiels sollte die Überlegenheit des Menschen wegen seiner besseren Intuition sicherstellen - nach Expertenschätzungen mindestens noch zehn Jahre.

Zudem ist Go mehr als nur ein einfaches Gesellschaftsspiel. Das Brettspiel ist im Mittelalter durch die asiatischen Königshäuser sehr populär geworden. Und es ist ein Spiel mit hoher Ästhetik: Go sagt auch etwas über den Charakter der Spieler. Die Meister werden nicht nur für ihre Erfolge gefeiert, sondern auch für die Art, wie sie sich auf dem Spielfeld ausbreiten. Als die Vorgängerversion des Google-Rechners im vergangenen Jahr gegen einen europäischen Go-Meister mit 5:0 gewinnen konnte, wurde dieser Sieg in der Expertenwelt vielfach mit einem Naserümpfen kommentiert. Dem Computer fehle Kreativität, und er habe lediglich von Fehlern profitiert. Lee Sedol hatte vor dem Duell angegeben, er rechne damit, mindestens vier, vermutlich aber alle fünf Partien zu gewinnen.

In diese emotionale Welt ist die seelenlose Google-Maschine "AlphaGo" nun als Champion eingetreten. Der Rechner tat das mit großer Wucht. Nach der zweiten Partie musste Go-Profi Lee eingestehen, dass er nie Kontrolle über das Spiel hatte. Dagegen bewerteten die internationalen Kommentatoren während der Live-Übertragung der Spiele einige Züge von "AlphaGo" als überraschend - und sogar als schön. Nach dem ersten Sieg nach vier Spielen will Lee Sedol eine Schwäche des Programms entdeckt haben. Es spiele schlechter, wenn es auf unerwartete Probleme stoße. Man darf gespannt sein, ob der Südkoreaner diese Erkenntnis im fünften Aufeinandertreffen zu seinem zweiten Sieg nutzen kann. Für den Spitzenspieler bleibt das Duell zwischen Mensch und Maschine weiter offen. In den Spielen zuvor habe er, Lee Sedol, verloren, und nicht die Menschheit, sagte der Südkoreaner.

Am Rande des Turniers erklärte auch Sergey Brin seine Liebe zu dem komplizierten Spiel. Google hätte es fast nicht gegeben, weil er in seiner Uni-Zeit so viel Go gespielt habe, berichtete der Google-Gründer.

(rai)
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