Interview mit Manfred Rekowski und Franz-Josef Overbeck 13 Fragen zum Reformationstag

Düsseldorf · Was sich durch das Reformationsjubiläum verändert hat, wie viel Luther in Papst Franziskus steckt und welche Gestalt der Kirchengeschichte sie gerne einmal treffen würden - das und mehr haben wir einen evangelischen und einen katholischen Kirchenmann gefragt.

 Bischof Franz-Josef Overbeck und Präses Manfred Rekowski beantworten 13 Fragen zum Reformationstag.

Bischof Franz-Josef Overbeck und Präses Manfred Rekowski beantworten 13 Fragen zum Reformationstag.

Foto: dpa/Combo heif

Der rheinische Präses Manfred Rekowski und Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck haben 2017 oft gemeinsam Gottesdienst gefeiert. Bischof Overbeck war im Januar zu Gast bei der rheinischen Landessynode, dem höchsten Gremium der Landeskirche. Dort sagte er, dass Christen nur noch gemeinsam glaubwürdige Zeugen des Evangeliums sein können.

Im März haben sie eine Kooperationserklärung unterzeichnet. Die rheinische Kirche und das Ruhrbistum wollen über 2017 hinaus enger zusammenarbeiten. Am Ende des Jahres wünschen wir uns eine Bilanz und einen Ausblick. Beide antworten uns unabhängig voneinander auf dieselben 13 Fragen.

Präses Rekowski Bischof Overbeck, sind Sie froh, dass das Reformationsjubiläum jetzt vorbei ist?

Manfred Rekowski Erst einmal bin ich froh, dass ich im jetzt endenden Jubiläumsjahr viele Veranstaltungen und Gottesdienste erlebt habe, aus denen ich Anregungen mit ins Jahr 501 der Reformation nehme. Dass die Termindichte im Kalender nun wieder etwas geringer wird, ist eine stille Hoffnung von mir.

Franz-Josef Overbeck Ich bin vor allem froh, dass wir das Reformationsjubiläum mit starken ökumenischen Akzenten feiern konnten. Das hat es so noch nicht gegeben. Wir sind uns in diesem Jahr näher gekommen und nehmen viel Schwung für unsere Zusammenarbeit mit in die Zukunft.

Was ist jetzt anders als vorher?

Rekowski Es hat sich gezeigt, wie es im Sinne der Reformation heute weitergehen kann: Jenseits der Kirchenmauern wurde gefeiert, zum Beispiel Gottesdienste in Kneipen, Kinos oder auf Plätzen. Gott wurde im Alltag neu entdeckt. Auch die ökumenischen Beziehungen zu mehreren Bistümern wurden vertieft.

Overbeck In der Vergangenheit war die Ökumene häufig eine Zusatzaufgabe: Erst bearbeitet und regelt jeder das Seine, und dann tun wir auch noch etwas gemeinsam. Von diesem Verständnis der Ökumene wollen wir weg und überall da, wo es sinnvoll und möglich ist, von vornherein zusammenarbeiten.

Wann feiern Sie mit Bischof Overbeck das erste gemeinsame Abendmahl?

Rekowski Ich bin tief überzeugt: Jesus Christus, der Herr der einen Kirche, lädt uns Christinnen und Christen aus allen Konfessionen zum Abendmahl an seinen Tisch. Er wartet schon lange auf uns. Seinem Ruf folge ich gern. Und ich feiere mit jedem, der sich mit mir einladen lässt. Sofort.

Overbeck Wenn unsere Kirchen die noch offenen theologischen Fragen für beide Seiten ehrlich und nachvollziehbar geklärt haben. Dabei darf eine Einigung zwischen Katholiken und Protestanten nicht neue Gräben zwischen uns und den orthodoxen Kirchen aufreißen.

Was ist das größte Hindernis auf dem Weg dorthin?

Rekowski Erstarrung. Statt auf unsere gemeinsame Wurzel, nämlich Christus, zu sehen, starren viele gebannt auf das unterschiedliche Verständnis des bischöflichen Amts und das damit verbundene Verständnis, was Kirche ist. Da braucht es einen geweiteten Blick in evangelischer und katholischer Kirche.

Overbeck Die Frage des Abendmahls ist untrennbar verbunden mit dem Verständnis von Kirche und Amt. Gemeinschaft am Altar setzt eine Verständigung in diesen Fragen voraus. Wir haben es bereits geschafft, ein gemeinsames Verständnis der Rechtfertigung zu erzielen. Wir müssen jetzt das Themenpaket Kirche, Eucharistie und Amt weiter und tiefer bearbeiten.

Wieso ist die Ökumene den Kirchen so wichtig?

Rekowski Die Bibel sagt, dass die Einheit seiner Kirche die Herzensangelegenheit Jesu Christi selbst ist. Also sind wir gefragt, unseren Teil dazuzutun, dass das Wirklichkeit wird. Zudem braucht unsere geschundene Welt unbedingt unser Zeugnis von der Liebe Gottes und den gemeinsamen Einsatz aller Kirchen.

Overbeck Weil wir uns alle auf Jesus Christus und sein Evangelium berufen. Von diesem gemeinsamen Fundament aus betrachtet, ist Kirche im Plural eigentlich ein Unding. Die Zusammenarbeit und das Bemühen um Einheit gehören also zu unserem Auftrag. Ohne Ökumene wären wir komplett unglaubwürdig.

Ist eine echte Einheit der Kirche überhaupt ein realistisches Ziel?

Rekowski Warum nicht? Einheit heißt ja nicht Einheitlichkeit! Ich traue Gott zu, dass er uns Wege weist, wie wir in versöhnter Verschiedenheit seine glaubwürdige Kirche in einer vielfältigen Welt sein können. Wir sollten alles dafür tun, dass wir als Institutionen dem Willen Gottes nicht im Wege stehen.

Overbeck Unser Ziel ist die sichtbare Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Die verschiedenen Traditionen sind Schätze, die uns gegenseitig bereichern. In diesem Sinne: ja, diese Einheit können wir zwischen Protestanten, Katholiken und Orthodoxen erreichen. Das ist meine feste Überzeugung. Größere Fragezeichen habe ich bei einigen Freikirchen und Pfingstkirchen.

Wie viel Luther steckt in Papst Franziskus?

Rekowski Die Ernsthaftigkeit und den kreativen Ehrgeiz, mit der Luther seine Kirche aus der Erstarrung holen und die Botschaft vom gnädigen und liebenden Gott unters Volk bringen wollte, erkenne ich auch in der Amtsführung von Papst Franziskus. Veränderungen erzeugen Widerstand damals und heute.

Overbeck Wie Luther lebt Papst Franziskus aus einer tiefen Spiritualität. Beide sind durch die theologische und religiöse Schule eines Ordens gegangen. Auch Papst Franziskus sieht einen Reformbedarf der katholischen Kirche und mahnt ihn an. Letztlich aber werden Vergleiche weder dem Reformator noch dem Papst gerecht.

Was würde ein Reformator oder eine Reformatorin heute in der evangelischen Kirche ändern?

Rekowski Ich nehme mal an, er würde wortgewaltig und deftig über die Fülle an Ordnungen und die große Bedeutung der Institution herziehen. Und nicht minder klar würde er vermutlich für mehr Gottvertrauen und Raum für den Heiligen Geist plädieren also mehr Glauben und weniger Institution.

Overbeck Ein Reformator hätte heute die Aufgabe, uns Mut zu machen, damit wir angesichts der vielen Herausforderungen nach vorne schauen. Er würde aufzeigen, wo kirchliches Leben erstarrt ist, und uns nach dem Vorbild Luthers eine Sprache ans Herz legen, die verständlich, lebensnah und kraftvoll den Glauben verkündet.

Wo ist die evangelische Kirche in den vergangenen 20 Jahren katholischer geworden?

Rekowski Evangelische Christinnen und Christen sind am Wort und an der Bibel orientiert. In den letzten Jahren haben wir dazu sinnliche Wahrnehmungen des Glaubens (wieder) entdeckt, die mehr im Katholizismus verwurzelt sind zum Beispiel das Pilgern oder eine Spiritualität, die nicht nur den Intellekt anspricht.

Overbeck Vor allem hat sich die Rolle der sogenannten Laien verändert, die heute verantwortungsvollen seelsorglichen Berufen nachkommen oder auch ehrenamtlich zentrale Aufgaben wie die Leitung von Wortgottesdiensten oder Beerdigungen übernehmen. Ebenso sind die synodalen Elemente deutlich gestärkt worden.

Wenn Sie einen Wunsch an die katholische Kirche frei hätten - welcher wäre das?

Rekowski Praktikable seelsorgliche Lösungen in Fragen der gemeinsamen Praxis, so wie Papst Franziskus das beispielsweise mit Blick auf die gemeinsame Feier der Eucharistie von Menschen in konfessionsverbindenden Ehen den Bischofskonferenzen seelsorglich ans Herz gelegt hat.

Overbeck Ich habe nur einen Wunsch für die evangelische Kirche, nämlich dass es ihr gelingen möge, in einem zunehmend säkularen, pluralen und multireligiösen Umfeld den Glauben überzeugend und einladend zu leben. Das wünsche ich natürlich auch uns Katholiken und hoffe, dass wir dabei voneinander lernen können und vieles gemeinsam tun.

Worum beneiden Sie die Katholiken?

Rekowski Ich bestaune die Leidenschaft für den Karneval, die Katholiken im Rheinland offenbar schon mit der Muttermilch aufsaugen. Ich bewundere den Reichtum des gottesdienstlichen Lebens und einer Frömmigkeit, die für viele zum Alltag gehört: Da können sich die Protestanten eine Scheibe abschneiden.

Overbeck Ich sage Ihnen, was ich an den Protestanten schätze: die gründliche Auslegung der Bibel in den Predigten, das gesellschaftspolitische Engagement auf der Ebene der Landeskirchen wie der Gemeinden und die intensiven Diskussionsprozesse auch über theologische Fragen bei den Synoden.

Mit welcher Gestalt der Kirchengeschichte würden Sie gern mal essen gehen?

Rekowski Mit Katharina von Bora, Martin Luthers Frau. Ich würde mir gerne aus ihrer Perspektive die Geschichte der Reformation erzählen lassen. Denn sie war ja nicht nur "die Frau an seiner Seite", sondern sie war auch selbst eine Reformatorin.

Overbeck Mit meinem Namenspatron, dem heiligen Franz von Assisi. Es würde wohl ein sehr einfaches Mahl, aber das Gespräch darüber, wie Franziskus in einer Zeit des Umbruchs sich ganz von seinem bisherigen Leben gelöst hat und radikal in die Nachfolge Jesu eingetreten ist, stelle ich mir sehr spannend vor.

Was machen Sie am 1. November?

Rekowski Urlaub. Oder um es mit dem rheinischen Reformationsmotto zu sagen: ein paar terminfreie Tage - vergnügt, erlöst, befreit.

Overbeck Wir Katholiken begehen an diesem Tag das Fest Allerheiligen. Vormittags feiere ich die Heilige Messe und gedenke dabei der Menschen, die bereits bei Gott sind und mit denen wir verbunden bleiben. Ihr Vorbild kann uns helfen, unser Leben auf Gott auszurichten. Abends besuche ich dann das Grab meines Vaters und die Gräber der Verstorbenen meiner Familie.

Manfred Rekowski (59) ist Präses der evangelischen Kirche im Rheinland.

Franz-Josef Overbeck (53) ist Bischof im Ruhrbistum Essen.

(heif)
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