Mainz Lehmann schlägt Nachfolger vor

Mainz · Mit 80 Jahren ist der Kardinal gestern in den Ruhestand verabschiedet worden.

Bei all den bewegenden Momenten am gestrigen Tag - ein Bild will einem einfach nicht aus dem Kopf gehen: Wie sich Karl Kardinal Lehmann beim Pontifikalamt im über 1000 Jahre alten Dom zu Mainz erhebt und - weil er seit Jahren nur schlecht stehen und noch schlechter gehen kann - auf seinen Bischofsstab stützt. Mit beiden Händen, kräftig und vertrauend. In keinem anderen Augenblick ist das Leitwort, das sich der Bischof von Mainz für seinen Dienst einst gab, sinnfälliger geworden: "State in fide". Steht fest im Glauben.

Was für ein bedenkenswerter Pfingstmontag, an dem der Kardinal seinen 80. Geburtstag feierte und an dem Papst Franziskus um Punkt Zwölf dessen Rücktrittsgesuch entgegennahm. Den Kardinal und den Heiligen Vater verbindet manches: Am gleichen Tag des Jahres 2001 wurden sie zu Kardinälen ernannt; und als Lehmann zuletzt im November beim Heiligen Vater war, merkte dieser an, dass der einzige Fehler des Mainzers sein beträchtliches Alter sei. Nun ja, erwiderte Kardinal Lehmann, er sei ein halbes Jahr älter als Franziskus.

Einschüchtern ließ sich Lehmann nie. Das hat ihm manche Erfolge beschert, vor allem aber die Gunst der Menschen. Ein nur grober Querschnitt durch die Schar der Festgäste wird so zum Spiegel von Bedeutung und Wertschätzung des 80-Jährigen: Die Kardinäle Marx, Wetter und Kasper waren gekommen, die Ministerpräsidenten Malu Dreyer und Volker Bouffier, Bundestagspräsident Norbert Lammert und Martin Schulz, Präsident des EU-Parlaments. Es war an Schulz, die beachtenswerte Laudatio in der Rheingoldhalle zu halten. Nicht so sehr über Lehmann, wie es auch der Wunsch des Jubilars gewesen ist. Vielmehr über unseren Unglauben - im europäischen Sinne. "Warum sind wir so verzagt geworden, wo wir doch so Großartiges geleistet haben?", fragte Schulz. Und so wünschte der Europa-Politiker allen Menschen, vom Kardinal zu lernen: "Ich wünsche mir, dass wir uns von Ihrer Zuversicht anstecken lassen" und den "Glauben an uns selbst wiederfinden". Ein passender Gruß im Europa-Format.

Um Mitternacht ist gestern auch das Amt erloschen. Dass Mainz wieder einen Kardinal bekommen wird, ist unwahrscheinlich. Aber natürlich einen Bischof. Vorsorglich hat Lehmann seinen früheren Sekretär, Weihbischof Udo Markus Bentz, dezent ins Gespräch gebracht. Entscheiden werden in den kommenden Monaten zwar andere; in Rom und das Domkapitel zu Mainz. Dass Karl Kardinal Lehmann aber auch im Ruhestand so ganz unerhört bleiben wird, hieße, seinen Einfluss zu unterschätzen. Niemand sei unentbehrlich, hat er vor seinem Abschied gesagt. Bei seiner Person kann man schon einmal ins Grübeln kommen.

(los)
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