London Legendäre Musikzeitschrift "NME" erscheint nicht mehr

London · Das ist ein bisschen so, als wäre ein guter Bekannter gestorben, einer, den man zu Schulzeiten sehr gemocht hat, dem man dann immer seltener begegnete, der aber dennoch zu einem gehört, Teil der Biografie blieb. Der "NME" ist tot, so wurde der "New Musical Express" abgekürzt, jene großformatige Zeitschrift, die im Wunderland des Pop jede Woche erschien. Jede Woche! Zu den Hochzeiten wurden an die 300.000 Exemplare pro Heft abgesetzt, zuletzt kaum noch 15.000.

Seit 1952 gab es den "NME" in England, aber am besten war er in den 1970er und 80er Jahren. Auf dem Titel waren britische Gitarrenbands. Jede noch so unbedeutende Band wurde stets mit Superlativen bedacht, und sie hatten ja recht: Pop ist eine Feier des Augenblicks, und in diesem Augenblick war diese Band nun mal die allerwichtigste, und sobald man zwinkerte, war die nächste Band halt noch wichtiger.

Der "NME" brachte Star-Autoren hervor, deren Art zu schreiben Generationen von Journalisten beeinflusste: Julie Burchill etwa und ihr Ehemann Tony Parsons. Manche Redakteure gingen selbst ins Musikbusiness, Paul Morley zum Beispiel, der das Label ZTT gründete und Frankie Goes To Hollywood groß rausbrachte. Der "NME" prägte ganze Genres. Der von dem Magazin kuratierte Sampler "C86" etwa, durch den Primal Scream, die Soup Dragons und Wedding Present zu Ruhm kamen. Und der inszenierte Krieg zwischen Oasis und Blur, der geht auch auf das Konto des "NME".

Man liebte dort Gitarrenpop. HipHop mochte man gar nicht, ein Chefredakteur musste sogar gehen, weil er zu viel Rap ins Heft brachte. Nun ist Rock tot, HipHop regiert, und der "NME" stellt sein Erscheinen ein. Wer das Glück hatte, die Hefte zur rechten Zeit zu lesen, möge sich die Smiths auflegen, die Lieblingsband des "NME": "Heaven Knows I'm Miserable Now".

(hols)
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