Düsseldorf "Lazarus" in Düsseldorf: große Show, die wenig berührt

Düsseldorf · David Bowie war dem Tod nahe, als er ans Komponieren ging. Sogar ein paar seiner Welthits hat er ausgewählt für sein Musical, "Life on Mars" etwa oder "Heroes". 17 Titel wurden für die Bühne arrangiert, der irische Autor Enda Walsh verfasste das kryptische Buch, das sich an den Roman "Der Mann, der vom Himmel fiel" anschließt.

Bowie nannte sein einziges Musical "Lazarus" nach der biblischen Figur, die mit Gottes Hilfe von den Toten auferweckt wurde. So heißt auch die todtraurige Ballade, die der Musiker in einem Video performt. Der Kopf des einstmals so schönen Popstars ist bandagiert, seine Augen werden mit Knöpfen markiert. "Look at me, I'm in Heaven" klagt er ("Sieh mich an, ich bin im Himmel"), dann singt er von Narben und über Gefahr, auch von Freiheit. Mit diesem anrührenden Leitmotiv im Kopf schaut man auf "Lazarus", das die moderne Passionsgeschichte eines weltberühmten Mannes ist, der auf dieser Welt nicht zurechtkam.

Nun also erlebt Düsseldorf die deutschsprachige Premiere, für die anders als in New York und London, ein potentes Staatsschauspiel alle Register zieht. Im großen Bühnenraum des eigentlich wegen Baustelle stillgelegten Theaters reizt Regisseur Matthias Hartmann alle Dimensionen aus. Links und rechts zu einer käfigartigen Raumkapsel führen Showtreppen, darunter liegt eine Heimstatt mit großem Bett. Videoschirme mit zum Teil aktuell gedrehten Performances bilden eine eigene Aktionsebene - eine psychedelische Collage, die den Kopfgeburten des Superstars entspricht. Immer wieder erscheint darauf eine Armatur, auf der "Cold" steht.

Kalt und künstlich ist auch diese Produktion, die über weite Strecken wenig berührt. Der Knackpunkt ist die Besetzung der Titelrolle mit dem norwegischen Performer Hans Petter Dahl, der Bowie zwar äußerlich nah kommt, aber kein Schauspieler ist und sich als Kunstfigur aus dem Ensemble aussondert. Das führt zu dramaturgischen Brüchen. Lange kauert Mister Newton auf der Rampe und sieht dem Treiben zu, das sein Leben darstellt, von Liebe erzählt, Showbusiness, Sehnsucht und den Phantasmen des Bösen.

Für all das ist das kirre Personal zuständig, die Shalalala-Girls, eine stalkende Assistentin (stimmgewaltig: Rosa Enskat), ein engelsgleiches Zauberwesen (anrührend: Lieke Hoppe), das genau wie der Zeremonienmeister des Bösen in transparenter Kluft die Unwirklichkeit vertritt. Dieser von André Kaczmarczyk gespielte Dämon stiehlt der Hauptfigur die Show mit seiner Präsenz.

Einer wie Bowie ist nicht kopierbar, das sollte man gar nicht erst versuchen. Jeder potenzielle Darsteller wird ihn auf seine Art erfinden müssen. Dahl sollte weniger Vibrato beim Singen einsetzen und mehr Konsistenz in seinen Bewegungen. Schließlich will im Theater jeder die Illusion haben, einen möglichst echten Bowie zu erleben.

In "Lazarus" wird viel geredet, nicht unbedingt viel gesagt. Durch die Arrangements verliert Bowies Musik an Kraft, aus Hits werden matte Duette, andere werden fein, nur eben anders vorgetragen. Doch "Lazarus" kommt bei der Erstaufführung sehr gut an. Zu erleben ist eine aufwendige Show (Bühne: Volker Hintermeier) mit erzählerischen Schwächen. Das nimmt man dem Musical nicht krumm. Der Sound stimmt. Es gibt Applaus ohne Ende nach dem berückenden Schlussbild. Die meisten Bowie-Fans werden "Lazarus" lieben. Weil sie ihrem Idol noch einmal nahe sein können.

(RP)
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