NRW-Kulturministerium WDR darf 48 Kunstwerke verkaufen

Düsseldorf · Der öffentlich-rechtliche Kölner Sender will eigene Kunstwerke verkaufen, darunter zum Teil millionenschwere Werke von Expressionisten wie Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner. Über dieses Vorhaben ist eine Debatte entbrannt. Das Land stimmt zu.

 WDR-Intendant Tom Buhrow.

WDR-Intendant Tom Buhrow.

Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Die rot-grüne Landesregierung in NRW winkt den geplanten Verkauf von Werken aus der Kunstsammlung des WDR durch. Das bestätigte eine Sprecherin des NRW-Kulturministeriums auf Anfrage unserer Redaktion: "Die Landesregierung erhebt nach der fachlichen Prüfung der vom WDR für den Verkauf vorgesehenen Werke keine Einwände gegen die Verkaufspläne des WDR", so die Sprecherin. Aus internen Unterlagen des WDR geht hervor, dass der öffentlich-rechtliche Sender 48 Kunstwerke verkaufen will, darunter zum Teil millionenschwere Werke von Expressionisten wie Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner.

WDR-Intendant Tom Buhrow hatte 2013 angekündigt, Teile der hauseigenen Kunstsammlung verkaufen zu wollen. Der Verkaufserlös soll zur Sanierung der WDR-Kassen beitragen: Buhrow bezifferte das Haushaltsdefizit des öffentlich-rechtlichen Senders damals auf rund 100 Millionen Euro.

Weil kurz danach allerdings die Pläne für den Verkauf einer Kunstsammlung der ebenfalls öffentlich-rechtlichen NRW-Bank "Portigon" (vormals WestLB) für landesweite Empörung sorgte, gerieten Buhrows Verkaufspläne ins Stocken. Der Verkauf von Kunstwerken aus öffentlich-rechtlicher Hand gilt in Deutschland als Tabubruch.

48 Kunstwerke auf der Liste

Zur Prüfung vorgelegt hatte der WDR dem NRW-Kulturministerium eine bislang öffentlich nicht bekannte Liste mit 48 Kunstwerken. Die Liste liegt unserer Redaktion vor. Das NRW-Kulturministerium hatte zu prüfen, ob sich unter den Werken auch solche mit besonderer Schutzwürdigkeit befinden. Für diese hätte NRW-Kulturministerin Christina Kampmann (SPD) eine Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes einleiten können, was den Verkauf faktisch verhindert hätte.

"Für zwei Werke auf dieser Liste hatte das Ministerium ein Verfahren zur Eintragung in das Verzeichnis eingeleitet", berichtet die Ministeriumssprecherin Hayke Lanwert. Dabei ging es um Max Beckmanns "Möwen im Sturm" und Ernst Ludwig Kirchners "Berglandschaft mit Almhütten". Lanwert: "Das Verfahren wurde nach Anhörung des Sachverständigenausschusses, der sich gegen eine Eintragung ausgesprochen hatte, eingestellt." Die übrigen Werke der Liste seien einer fachlichen Vorprüfung im Hinblick auf eine Eintragung unterzogen worden - ebenfalls mit negativem Ergebnis.

Der WDR wollte sich gestern auf Anfrage nicht zu dem Vorgang äußern. Früheren Angaben zufolge sollen die Werke nun im Auktionshaus Sothebey's verkauft werden. Die Pläne sind in NRW umstritten. Der ehemalige NRW-Innenminister und jetzige Präsident der Kunststiftung NRW, Fritz Behrens, sagte gestern: "Der Verkauf wird den WDR auch nicht retten." Es sei "immer bedauerlich, wenn Kunst aus öffentlichen Sammlungen verkauft werden muss. Ich finde das nicht sehr schön." Der kulturpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Oliver Keymis, sagte hingegen: "Der WDR hat den Auftrag, ein relevantes Programm anzubieten. Kunst zu sammeln ist nicht seine erste Aufgabe."

Die drei Millionen Euro, auf die WDR-Intendant Tom Buhrow den Wert der insgesamt 600 Werke umfassenden hauseigenen Kunstsammlung beziffert, beziehen sich im Wesentlichen auf den kostbaren Kern der Kollektion. Der besteht aus knapp 50 Arbeiten, die nun bei Sotheby's in London versteigert werden sollen. Die übrigen Werke sind geschätzt jeweils weniger als 5000 Euro wert, so dass sich der Aufwand einer Auktion nicht lohnen würde.

Arbeiten von Kirchner, Heckel oder Rohlfs

Die der Redaktion vorliegende Liste der 48 Spitzenwerke offenbart ein starkes Gewicht von Malerei des Expressionismus: allein 20 Arbeiten von Ernst Ludwig Kirchner, dazu Otto Mueller, Erich Heckel, Max Pechstein, Max Beckmann und Christian Rohlfs. Die Kirchners stammen aus der Zeit zwischen 1904 und 1931. Der WDR erwarb diese und die übrigen Werke seit den 50er Jahren, zu einer Zeit also, als Kirchners überragende Bedeutung schon außer Zweifel stand, die Preise aber noch niedrig waren. In der jungen Bundesrepublik hatten die Menschen andere Sorgen, als günstig Bilder von Weltrang zu erwerben. Damals kostete jener Kirchner, der einst im Büro von Intendant Fritz Pleitgen hing, um die 600 D-Mark, inzwischen rechnet man mit einem sechsstelligen Euro-Betrag.

Von der Gunst der Stunde profitierte in den 60er Jahren übrigens auch Werner Schmalenbach, Gründungsdirektor der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Deren Werke könnte sich das Land NRW heute angesichts der Preise nicht mehr leisten.

Das vermutlich teuerste Bild der WDR-Kollektion ist Beckmanns Gemälde "Möwen im Sturm" von 1942; sein Wert liegt im Millionen-Bereich. Eine Farblithografie von Marc Chagall aus dem Jahr 1956, "Die drei Akrobaten", wird erheblich günstiger erhältlich sein.

Erwerbungen gehen wesentlich auf Walter Vitt zurück

Neben der klassischen Moderne liegt das zweite Schwergewicht der Sammlung auf der Vor- und Nachkriegsmoderne: Multiples von David Hockney, Ölgemälde von Georg Meistermann, Tuschezeichnungen von Ernst Wilhelm Nay, ein Gemälde "Figur Herodias" von Horst Antes sowie zwei Bilder des Kölners Anton Räderscheidt, eines herausragenden Malers der Neuen Sachlichkeit.

Die Erwerbungen des WDR gehen wesentlich auf Walter Vitt (79) zurück, den langjährigen politischen Redakteur und ehrenamtlichen Kunstbeauftragten des Senders. Auf den bevorstehenden Verkauf der Schätze, die den Beschäftigten des WDR einst eine kreative Atmosphäre bieten sollten, blickt er mit Entsetzen.

(tor)
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